Die überwältigende Mehrheit der Urlauber würde gerne mit dem Gefühl auf Kreuzfahrt gehen, der Umwelt nicht zu schaden. Doch geht das wirklich?
Kreuzfahrt-Passagiere sind sich der Gefahren der Seereisen für Klima und Natur sehr bewusst. Das zeigt eine Umfrage des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). Mehr als drei Viertel aller Deutschen setzen sich demnach beispielsweise dafür ein, dass Kreuzfahrt-Schiffe kein Schwerlöl verbrennen. Es ist extrem mit Giftstoffen aller Art belastet. Die Reedereien wissen um die Besorgnis. Auf ihren Webseiten listen sie ihre Anstrengungen zum Umweltschutz akribisch auf: von Energie-Effizienz über Emissions-Minderung bis zu Abwasser-Reinigung.
Zwei Kreuzfahrt-Rankings enthüllen: Viel Greenwashing im Spiel
Doch allzu oft verbürgen sich hinter den schönen Worten bloße Lippenbekenntnisse, beklagt Nabu-Verkehrsexperte Sönke Diesener. “Das giftige, aber billige Schweröl ist weiterhin der Treibstoff der Wahl für das Gros der Flotte”, kritisiert er. „Nur wer heute aus dem Schweröl aussteigt und für alle neuen Schiffe Null-Emissionen als Standard vorsieht, kann glaubhaft machen, dass die Ankündigungen für eine klimaneutrale Zukunft ernst gemeint sind.“
Doch davon sind die Anbieter weit entfernt. Das zeigt das aktuelle Kreuzfahrt-Ranking des Nabu. Einzig die Hurtigruten Norway erfüllt demnach wenigstens die Hälfte aller notwendigen Klima- und Umweltschutzmaßnahmen. Relativ gut stehen auch Aida Cruises und Hapag-Lloyd Cruises da. Danach wird es zunehmend düster (siehe Grafik unten).
Der Nabu nahm vor allem Reedereien unter die Lupe, bei denen bevorzugt deutsche und europäische Urlauber buchen. Weltweit fällt die Bilanz noch ernüchternder aus. Zu diesem Schluss kommt die US-Umweltorganisation “Friends of the Earth” (FOE) in einer ebenfalls gerade veröffentlichten Analyse.
Kreuzfahrten sind weiterhin eine schmutzige Urlaubsvariante
Die Aktivisten bewerteten 213 Schiffe von 18 Reedereien nach den Kriterien: Abwasser-Behandlung, Luftverschmutzung, sorgsamer Umgang mit Trinkwasser und Transparenz ihrer Umweltmaßnahmen. Das Ergebnis: Kein Unternehmen erreichte die möglichen Bestwertungen A und B auf einer Skala bis F (siehe Grafik unten).
FOE-Programm-Direktorin Marcie Keever sieht auch nach mehr als zehn Jahren Marktbeobachtung noch ganz viel Greenwashing im Spiel. “Branchenführer wie Carnival und Royal Caribbean werben mit ihren grünen Anstrengungen. Doch sie verwenden weiter giftige klimaschädliche Treilbstoffe und verschmutzen die Ozeane mit dreckigem Abwasser”, wettert Keever. Ihr Fazit: “Kreuzfahrten sind weiterhin eine der schmutzigsten Urlaubsvarianten.”
Hoffnungsträger Brennstoffzelle, Methanöl und Ammoniak
Bei aller Kritik hält Nabu-Mann Diesener der Branche zugute, dass sie inzwischen mehrheitlich eine Klimastrategie hat und sich zu den Klimazielen von Paris bekennt. Auch würden erste Reedereien auf ihren Kreuzfahrt-Schiffen Batterien und Brennstoffzellen einsetzen – allerdings nur als Ergänzung zum Schiffsdiesel. Ein Hoffnungsschimmer sei, dass TUI Cruises ein Boot bauen lässt, das mit klimaneutral produziertem Methanöl angetrieben werden soll. Sogar Großsegelschiffe sind vemehrt im Angebot. Auf lange Sicht könnte grün gewonnenes Ammoniak eine saubere Alternative werden, hoffen Experten.
Strenge Regeln würden helfen
Weil das Tempo der Erderhitzung aber keinen Aufschub mehr verträgt, setzt Diesener als rasch wirkende Maßnahme vor allem auf strengere Regeln. Ein Vorbild könne Norwegen sein, das schon 2007 strikte Stickoxid-Vorgaben erlassen habe und das Befahren bestimmter Fjörde nurmehr Null-Emissions-Schiffen erlaube.
Tourismusforscher Alexis Papathanassis von der Hochschule Bremerhaven sieht das genauso. “Die Reedereien sind bereit, sich an Bestimmungen zu halten und an Standards, die es teurer machen. Aber nur wenn das für alle gilt.” Zugleich warnt er vor einem verengten Blick. “Eine Kreuzfahrt umfasst mehr als ein Schiff und Bordaktivitäten. Hin-, Rückreisetransport- und Ausflüge sowie die gesamte Kreuzfahrt-Lieferkette müssen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.”
Jeder Tourist schmilzt 83 Tonnen Schnee in der Antarktis
Wie sehr der Drang, selbst abgelegenste Gebiete per Kreuzfahrt zu besichtigen, den Ökosystemen zusetzt, haben Wissenschaftler der niederländischen Universität in Groningen für die Antarktis errechnet. Jeder Tourist trägt mit seinem Besuch dazu bei, das im (noch) ewigen Eis pro Jahr 83 Tonnen Schnee zusätzlich schmelzen und die Gletscher in rasendem Tempo verschwinden.
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