Erstaunliche Wendung: FDP fordert Tempolimit

Ob Maske, Impfen oder Rasen – immer stellten die Liberalen die persönliche Freiheit über alles. Jetzt machen sie eine Ausnahme: Für Radfahrer soll ein Tempolimit gelten.

FDP fordert Tempolimit für Radfahrer
Nicht schneller als 10 km/h In Düsseldorf fordert die FDP eine Tempolimit für Radfahrer Foto: Pixabay

Erhöhte Unfallgefahr mit Toten und Verletzten bei hohen Geschwindigkeiten. Auf Autobahnen ist das für die FDP kein Argument, für ein Tempolimit einzutreten. Ebenso wenig wie Klimaschutz oder Energieeinsparung. In Düsseldorf stellt die Stadtratsfraktion der Liberalen die leibliche Unversehrtheit jetzt doch vor die Freiheit zum Rasen. Wo Fußgänger und Radler sich drängen, sollen die Pedaltreter künftig allenfalls mit 10 km/h fahren dürfen. Morgen wird darüber abgestimmt. Der Spott im Netz ist der Partei aber jetzt schon sicher.

In Berlin hat die grüne “Verbotspartei” ein Tempolimit schon eingeführt

Auch weil die Düsseldorfer Liberalen etwas umsetzen wollen, was ihr Lieblingsgegner, die grüne “Verbotspartei”, in Berlin-Kreuzberg längst maßgeblich eingeführt hat. Nach einer Klage sogar abgesegnet vom Berliner Verwaltungsgericht.

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Vielleicht ist der Vorstoß in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ja Anstoß für die Liberalen, ihre klimafeindliche Verkehrspolitik zu überdenken. Wie dringlich das wäre, untermauert ein gerade veröffentlichter Prüfbericht des von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrats für Klimafragen. Die Aufgabe des unabhängigen Gremiums: Es begutachtet in regelmäßigen Abständen, ob die einzelnen Ressorts die Klimaziele der Regierung mit ihren Sofortprogrammen einhalten.

Glatte Sechs für Wissings Sofortprogramm zum Klimaschutz

Die Experten stellen FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing eine glatte Sechs aus. Sein Programm sei schon im Ansatz “ohne hinreichenden Anspruch”, urteilen sie. Gerade einmal 14 Megatonnen an Treibhausgasen spart es nach Wissings eigenen Angaben bis 2030 ein. “Da bleibt eine Erfüllungslücke von 261 Megatonnen”, sagt Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats (siehe auch Grafik unten). Dabei gehört der Verkehr zu den Sektoren, die den Klimaplänen ohnehin schon weit hinterher hinken.

Bei der Senkung der Treibhausgase im Verkehr bleibt die Bundesregierung weit hinter ihrem Ziel zurück
Anspruch und Wirklichkeit Zwischen angetrebter und tatsächlicher Treibhausgas-Minderung im Verkehr klafft eine riesige Lücke
Quelle: Expertenrat für Klimafragen

Unausgesprochen schwingt in dem Gutachten mit: Wo nichts ist, kann man auch nichts prüfen. Tatsächlich kocht Wissing überall auf Sparflamme, wo massive Investitionen in eine klimagerechte Mobilitätswende notwendig wären. Bestes Beispiel ist der Ausbau der Schienennetzes der Bahn, wo Verkehrsmanager schon dieses Jahr drei Milliarden Euro fordern, statt der von Wissing vorgesehenen 1,9 Milliarden Euro.

Unterfinanzierte Bahnausbau

Der Vorsitzende des Netzbeirats der Deutsche Bahn-Tochter DB Netz, Norbert Reinkober, warnt vor einer “dramatischen Unterfinanzierung”. Seine Schlussfolgerung: „Bleibt es bei den unzureichenden Finanzzusagen, lassen sich bis zum Jahr 2030 weder der Deutschlandtakt noch die von der Bundesregierung angestrebte Verdopplung der Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr realisieren.“

Doch statt das Ruder endlich entschieden rum zu reißen, drängen die liberalen Minister laut “Spiegel” darauf, den überprüfbaren Pflichtbeitrag jedes Ressorts zum Klimaschutz abzuschaffen. Noch ist unklar, ob Kanzler Olaf Scholz und die Grünen dem Druck des kleinsten Koalitionspartners – wie etwa bei der Übergewinnsteuer – wieder einmal nachgeben, um die Ampel am Leuchten zu halten.

Umwelthilfe klagt gegen “gesetzeswidriges” Sofortprogramm

Gut möglich daher, dass erneut Justizia die Ampel und Verkehrsminister Wissing zum Handeln zwingen muss. In einem wegweisenden Urteil erklärte das Bundesverfassungsgericht im April vergangenen Jahres die lahme Klimaschutzpolitik der Bundesregierung für verfassungswidrig. Daran knüpft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) an. Sie hat angekündigt, vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg auf die Einhaltung eines gesetzeskonformen Klimaschutz-Sofortprogramms im Verkehrssektor zu klagen.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch begründet den Gang vors Gericht mit harschen Worten: “Was Volker Wissing vorgelegt hat, ist eine Farce und klar gesetzeswidrig.” Resch hat zudem eine klare Vorstellung davon, was notwendig wäre. “Ohne Tempolimit, Stopp der Dienstwagen-Förderung und den massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Bahn inklusive 365-Euro-Klimaticket, ist kein gesetzeskonformes Sofortprogramm denkbar.”

Man darf gespannt sein, wie die Richter das sehen.

Mehr: efahrer expertenrat-klima Welt DUH

Dieter Dürand

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