Ein geniales Speicherkonzept, neue leistungsstarke Zelltypen, boomende Nachfrage – beim Umstieg auf eine erneuerbare Energielandschaft wecken Fortschritte bei Solar weltweit derzeit große Hoffnungen. Eine Übersicht.
Solar gewonnene Wärme bis zu 18 Jahre speichern, um daraus bei Bedarf elektrische Energie zu gewinnen. Klingt unglaublich. Doch Forscher der Göteburger Chalmers Universität für Technologie schwören Stein und Bein, ihr radikal neues System sei ein durchaus realistisches und wirtschaftlich umsetzbares Konzept. Es würde die größte Schwachstelle der Sonnenkraft beseitigen: Dass sie nicht kontinuierlich zur Verfügung steht.
Solar unabhängig von Wetter und Tageszeit
Chalmers-Entwickler Kasper Moth-Poulsen macht die Bedeutung der revolutionären Innovation klar. „Dann können wir solare Energie nutzen, um unabhängig von Wetter, Tageszeit, Jahreszeit und geografischer Lage Strom zu produzieren.“
Das Geheimnis der bahnbrechenden Technologie besteht in einem speziell gebauten Molekül aus Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff. Trifft Sonnenlicht darauf, verwandelt es sich in ein energiereiches sogenanntes Isomer, das in flüssiger Form gelagert werden kann. Bis zu 18 Jahren lang.
Ein Thermogenerator produziert Strom
Der geniale Kniff: Wird die Energie benötigt, wandelt ein eigens entwickelter Katalysator das Isomer in das Ursprungsmolekül zurück. Die frei werdende Wärme kann direkt beispielsweise für ein Heizsystem genutzt werden, oder ein hauchdünner spezieller Thermogenerator produziert daraus Strom (siehe Video unten).
Auch ein Wissenschaftsteam unter Federführung der Universität Köln meldet einen vielversprechenden Ansatz, um Solarstrom künftig deutlich nachhaltiger gewinnen zu können. Bisher kommen Solarzellen auf die Dächer, die auf Silizium basieren. Die besten wandeln 25 Prozent der einfallenden Strahlung in Watt um – viel mehr ist nach gegenwärtigem Forschungsstand nicht möglich.
Kostengünstige Generation neuer Solarzellen
Die Herstellung der siliziumbasierten Zellen ist zudem relativ energieintensiv, der Materialverbrauch hoch. Da setzen die Kölner Forscher an. Sie kombinieren organische Halbleiter auf Basis von Kohlenstoff mit einer Blei-Halogen-Verbindung – einem sogenannten Perowskit-Halbleiter – zu einer Tandemzelle. Sie erreicht einen Wirkungsgrad von 24 Prozent, ist aber weit effizienter herzustellen als das Silizium-Pendant. Experten sehen in der Tandemzelle daher die neue kostengünstige Generation der Solarzelle und hoffen, die Leistung in absehbarer Zeit sogar auf 30 Prozent steigern zu können.
Solar Profiteur der Energiekrise
Bis zur Marktreife brauchen beide Innovation noch Zeit. Doch der durch die sprunghaft gestiegenen Preise für Gas, Öl und Benzin angefachte Nachfrageboom nach Solarenergie dürfte den Forscherdrang weiter befeuern. Zumal er mit neuen finanziellen Spielräumen einher geht.
Nach einer Übersicht des Finanzdienstes Bloomberg NEF ist Solar eindeutig Profiteur der Energiekrise – die Windkraft dagegen stagniert.
Windkraft-Ausbau im Schneckentempo
Die Analysten prognostizieren für dieses Jahr einen weltweiten Zubau an Photovoltaik (PV) von 245 Gigawatt (GW) – ein Drittel mehr als 2021 installiert wurde. 245 GW entspricht zwei Drittel der globalen Kapazität in Atomkraftwerken. Anfang 2020 waren rund um den Erdball Solarkraftwerke mit einer Leistung von 651 GW am Start. Bis April nächsten Jahres wird die Kapazität auf gut 1300 GW springen – eine Verdopplung innerhalb von nur drei Jahren.
Solche Zuwächse würden sich auch die Windradbauer wünschen. Doch die sind nicht in Sicht, die Verkäufe bewegen sich auf gleichbleibendem Niveau. Geht es in dem Schneckentempo weiter, kommt die Windkraft 2030 nur auf 64 Prozent der Kapazität, die notwendig wäre, die CO2-Emissionen klimaverträglich zu reduzieren. Viteri Solaun, Chef des spanisches Windradherstellers Iberdrola aus Bilbao, nennt den Grund für die Flaute: „Schleppende Genehmigungsverfahren sind das Haupthindernis und bremsen den Fortschritt.“
Sturmtiefs bescheren Rekord-Energie-Ernte
Ein Trostpflaster immerhin gibt es für die Windmüller. 2022 erwies sich bisher als gutes Windjahr. In den USA jagten die Turbinen am 29. März erstmals mehr Strom durch die Netze als Kern- und Kohlekraftwerke zusammen. Hier zu Lande bescherten die Sturmtiefs Ylenia und Zeynep den Versorgern eine fette Energie-Ernte: Ihre Böen generierten 37 Milliarden Kilowattstunden – fast ein Drittel der Ausbeute im gesamten vergangenen Jahr.
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