Vergessenes Solarpotential – Dächer von Hallen werden kaum genutzt

Der Ausbau der Sonnenernergie legt von Monat zu Monat zu – auf Wohnhäusern und Agrarflächen. Das Solarpotential auf Dächern von Fabriken oder Lagern verharrt dagegen im Dornröschenschlaf. Ein Startup will das ändern.

Selten genutztes Solarpotential PV-Paneele auf Hallendach (Albrecht Fietz/Pixabay)
Selten genutztes Solarpotential PV-Paneele auf Hallendach (Albrecht Fietz/Pixabay)

Sonnenstrom, bislang der ewige Zweite, holt auf. In den vergangenen dreißig Tagen stammten fast 29 Prozent des in Deutschland erzeugten Strom aus Solarpaneelen. Die Windenergie kam nur auf 19 Prozent. Auch die Zuwachsraten bei der installierten Kapazität übertreffen deutlich die der Windenergie. So wuchs die 2022 die neu-installierte Spitzenleistung der Photovoltaik-Anlagen um 7,3 Gigawatt. Bei den Windkraftanlagen betrug der Zubau nur 2,5 Gigawatt. Im laufenden Jahr dürfte der Zuwachs bei der Sonnenenergie in Gigawatt-Leistung wahrscheinlich sogar zweistellig ausfallen. Inzwischen hat die installierte Gesamtkapazität der Sonnenenergie in Deutschland die der Windenergie überholt. Doch es könnte noch besser aussehen. Denn der Zubau findet fast ausschließlich auf Privatdächern und Freiflächen statt. Das Solarpotential der vielen Lagerhäuser, Fabriken, Supermärkte und Bürogebäude bleibt weitgehend ungenutzt.

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Das soll sich ändern. Enviria heißt das Startup, das die Gewerbedächer erschließen will. Gut 21 Millionen Gewerbebauten stehen in Deutschland. Wohnbauten gibt es nur 19 Millionen. Hinzu kommt: Die Dachflächen von Gewerbebauten sind – nach Schätzungen von Experten sieben- bis zehnmal größer. Anders gesprochen: Nur ein kleiner Teil von Deutschlands Dachflächen ist bisher erschlossen worden. Dabei eignen sich die meist flachgeneigten Hallendächer besser für die Installation von PV-Modulen als die oft stärker geneigten Dächer von Wohnhäusern. Und anders als bei der Installation auf Agrarflächen provozieren die Paneele auf Fabriken oder Büros keine Diskussion um Landschaftsverschandelung oder Umwidmung von landwirtschaftlichen Flächen.

Genehmigung im Schneckentempo

Der Grund für die Zurückhaltung bei der Erschließung des Sonnenpotentials auf Hallendächern liegt nach Meinung von Enviria-Gründer Melchior Schulze Brock vor allem darin, dass die Nutzer der Gewerbe-Immobilien meist Mieter seien. Und Stromerzeugung zähle nun mal nicht zum Kerngeschäft der meisten Unternehmen.

Damit nicht genug: Sonnenkollektoren auf Hallendächern erhalten weniger Förderung als PV-Paneele auf Wohnbauten. Vor allem die Verteilnetzbetreiber wehren sich, so gut sie können, gegen die unerwünschte Konkurrenz. In der Regel kann der Strom vom Dach nicht selbst verbraucht werden. Folglich muss für fast jede Anlage ein sogenanntes Netzanschlussbegehren beantragt werden. Die Netzbetreiber lassen sich aber gern Zeit. Manchmal dauert es, so die Erfahrung von Schulze Brock, bis zu acht Wochen, bevor dort überhaupt jemand reagiert. Und bis er den Betreibern schließlich passt, geht der Antrag oft mehrfach hin und her. Nicht selten vergehen so mehrere Monate bis Montagebeginn. Auch das treibt die Kosten für den Netzanschluss. Der kann beispielsweise für eine Anlage von 0,5 Megawatt bis zu 180 000 Euro kosten.

Enviria als Vollversorger

Enviria will Hallenmietern oder -eigentümern den Ärger mit Behörden und Netzbetreibern so weit wie möglich ersparen. Das 2017 gegründete Unternehmen übernimmt die Organisation von Antragstellung, Montage und Betrieb der Solaranlagen. Über 200 solcher Anlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 70 Megawatt hat das Frankfurter Unternehmen bereits realisiert. Doch allein in diesem Jahr wollen die 200 Mitarbeiter knapp eine Million Quadratmeter Solarfläche in Betrieb nehmen.

Schulze Brock will Envira künftig sogar zum Vollversorger machen. Die Kunden würden, so das Geschäftsmodell, in sonnenreichen Zeiten ihren Bedarf aus der eigenen Anlage decken. Der übrige Strom geht in Batterien oder ins Netz. Scheint die Sonne nur geringfügig oder gar nicht, sichert ein Reststromvertrag mit Enviria die Versorgung.

Mehr: Edison, Wirtschaftswoche

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