Vorsorgung mit fossilem Gas bleibt weiter gefährdet

Von wegen sicher! Die Lieferungen von fossilem Gas werden dauerhaft störanfällig bleiben – auch wenn die Gasspeicher voll sind. Die kleinste Störung kann zu explodierenden Preisen oder Unterbrechungen führen.

Gasflamme Vorsorgung mit fossilem Gas bringt Risiken (Steven/Pixabay)
Gasflamme Vorsorgung mit fossilem Gas bringt Risiken (Steven/Pixabay)

Im vergangenen Winter hatte Deutschland den Ausfall der russischen Lieferungen von fossilem Gas überraschend gut überstanden. Das Land ging mit vollen Speichern in den vergleichsweise milden Winter. Innerhalb weniger Monate – im viel beschworenen Deutschlandtempo – entstand das erste schwimmende Gasterminal in Wilhelmshafen. Inzwischen sind weitere Anlandestellen im vorpommerschen Lubmin und in Brunsbüttel im Regelbetrieb. Bis Anfang 2024 sollen sechs schwimmende Gasterminals an Deutschlands Küsten arbeiten. Drei weitere stationäre Terminals sollen in den Folgejahren dazu kommen. Wenig erstaunlich, dass die Deutschen sich bezüglich der Gasversorgung in Sicherheit wiegen.

ANZEIGE

Wenn sie sich da nicht irren. Denn die Abhängigkeit vom russischen Gas wurde weitgehend durch die Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Golfemirat Katar und den Vereinigten Staaten ersetzt. Das ergeben Studien des Marktanalysten ICIS, die auf der Jahrestagung Gas des Handelsblattes vorgestellt wurden. Danach kommt die Hälfte des europäischen Gases als Flüssiggas an. Davon wiederum stammt die Hälfte aus den USA. Rund 14 Prozent des Flüssiggases kommen aus Katar. Sollte die kommende US-Wahl zugunsten Donald Trumps ausfallen oder in Katar exportpolitische Entscheidungen zu Ungunsten Europas fallen, wäre die Versorgung gefährdet.

Sich auf Trump verlassen?

Auf der Handelsblatt-Konferenz in Berlin mahnte daher Andreas Goldthau: “Es ist momentan amerikanisches LNG, das uns rettet.” Die Idee, dass die Amerikaner auf ewig liefern würden, sei im Sinne des Freihandels zwar wunderbar, sagte der Direktor der Willy Brandt School of Public Policy an der Universität Erfurt. Aber nach den Wahlen in 14 Monaten könne die Situation anders sein. Dann sei es nicht ausgeschlossen, dass es zu einer neuen Isolationismus-Debatte komme. Amerikanisches Erdgas stünde dann möglicherweise nicht mehr zu den Mengen zur Verfügung, “die wir gern einkaufen würden.”

Verschärft wird das Problem durch die grundsätzliche Verknappung. Auch ohne politische Zäsur führt der kleinste Lieferausfall schon zu massiven Störungen. Dies kann sich in ungewohnten Preisausschlägen auswirken. Schon ein paar kalte Winterwochen können bedrohliche Folgen haben. Laut ICIS-Analyst Andreas Schröder können dann die Gasspeicher nur zu einem Drittel die Versorgung sichern. Ein weiteres Drittel des Gases kommt aus Norwegen. Doch der Rest muss pünktlich durch Flüssiggas-Schiffe geliefert werden. Ein Havarie auf See, ein gesperrter Seeweg oder ein Schiffsbrand reicht folglich, um die Versorgung zu gefährden. Schröder verweist auf den Brand einer Anlage des amerikanischen Terminalbetreibers Freeport im Juni: “Die Preise reagierten sofort darauf.”

Zur Unsicherheit tragen auch die durchweg kurzfristigen Lieferverträge bei. Deutschland hat so gut wie keine langfristigen Verträge mit Flüssiggas-Lieferern, die gesicherte Mengen zu festen Preisen garantieren. Es versogt sich weitgehend auf dem freien Spotmarkt. Werden die verfügbaren Gasvolumina knapp, kann es zu einer Käuferpanik kommen. Dann schießen die Preise durch die Decke. Armes Deutschland!

Mehr: Handelsblatt

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*