HeidelbergCement und der Industriegas-Experte Linde richten weltweit das erste Zementwerk ein, das den CO2-Ausstoß auffängt und verkauft.
Die Zementindustrie hat nicht gerade den besten Ruf. Zumindest, wenn es um den CO2-Ausstoß geht. Denn ähnlich wie bei Stahlwerken oder in der chemischen Industrie ist es kaum möglich, durch Energiesparen den Kohlenstoff-Ausstoß nennenswert zu vermindern. In diesen sogenannten Prozeßindustrien fällt CO2 vor allem bei den chemischen Vorgängen der Materialherstellung an. Die Emissionen durch den begleitenden Energieverbrauch sind zwar auch bedeutend. Sie spielen aber im Verhältnis zum Gesamtausstoß eine geringere Rolle. So entfallen einem Zementwerk zwei Drittel des Kohlendioxid-Ausstoßes auf die rohstoffbedingten Prozesse. Nur ein Drittel sind energetisch bedingt. Das Auffangen und Abscheiden des CO2 ist folglich die wirksamste Möglichkeit, die klimaschädlichen Wirkungen der Zementherstellung zu vermindern.
HeidelbergCement und Linde bauen deshalb in dem fränkischen Zementwerk Lengfurth eine CCU-Anlage, in der Zementbranche die erste weltweit. CCU steht für Carbon Capture and Utilisation, auf deutsch: Kohlendioxid-Abscheidung und -Verwendung. Die Installation soll bereits ab 2025 jährlich 70 000 Tonnen gereinigtes und verflüssigtes CO2 bereitstellen. Vermarktet wird das gewonnene CO2 durch Linde. Dank seiner Reinheit kann das aufbereitete Gas sowohl in der Chemie- wie auch in der Lebensmittelindustrie verwendet werden.
In Norwegen erprobt
Die Anlage wird von Linde geplant und gebaut. Der Hersteller und Vertreiber von Industriegasen ist weltweit einer führenden Firmen für CO2-Anlagen. Die Vorrichtung trennt das Kohlendioxid auf Basis einer speziell für Rauchgase entwickelten Aminwäsche ab. Zu der Installation gehören auch Einrichtungen zur Reinigung und Verflüssigung, CO2-Tanks sowie Verladeeinrichtungen.
HeidelbergCement hatte – als Vorreiter in der Branche – die Kohlendioxid-Abscheidung auf Basis dieser Technik bereits in Jahren zwischen 2012 und 2016 in einer Großlaboranlage im norweigischen Zementwerk Brevik erprobt.
Tierkadaver und Autoreifen statt Kohle, Gas oder Öl
Bislang besteht der Beitrag der Zementindustrie zur CO2-Vermeidung vornehmlich darin, dass Zementwerke häufig Müll als Energieträger verbrennen. Dadurch sparen die Hersteller fossile Brennstoffe ein. Und sie machen ein hübsches Nebengeschäft mit der Abfallvernichtung. Alte Autoreifen, Altöl, zermahlene Tierkadaver oder Hausabfälle – verbrannt wird alles, was Energie in die Drehrohröfen bringt. Im Jahr 1996 lag der Anteil der Abfälle, die in Zementwerken verheizt wurden, noch bei etwa einem Achtel. Inzwischen ist er auf über zwei Drittel angestiegen.
Die Praxis ist jedoch in die Kritik geraten, weil die Abgase häufig nur unzureichend gereinigt werden. Denn die Industrie profitiert – nicht nur in Deutschland – von großzügigen Ausnahmeregeln. Diese Regeln erlauben vielen Zementwerken die achtfache Schwefeldioxid-Emissionen. Bei den Kohlenmonoxid-Werten ist in Einzelfällen sogar eine 60-fache Überschreitung der Grenzwerte erlaubt.
Technisch wäre jedoch bei der Zementherstellung eine emissionsarme Verbrennung von Müll durchaus möglich. Würden eine saubere Müllverbrennung mit CO2-Abscheidung á la Lengfurth kombiniert und zum Branchenstandard, könnte die Industrie ihr Schmuddelimgage mittelfristig wohl abschütteln.
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