Elektroautos: VW, Mercedes, BMW und Co. steuern in eine Sackgasse, unterstützt von willfährigen Politikern

Statt sich mit aller Kraft auf die Elektromobilität zu stürzen, bremsen VW, Mercedes, BMW und Co. die Entwicklung und damit sich selber wo immer möglich aus. Dabei helfen ihnen willfährige Politiker. Die unheilige Allianz hat Tradition in Deutschland, schadet jedoch dem Klima und langfristig der Zukunftsfähigkeit der Konzerne. Ein Kommentar von Reinhold Böhmer.

Elektroauto des chinesischen Herstellers BYD VW, Mercedes, BMW und Co. droht gefährliche Sackgasse (Foto: BYD)
Elektroauto des chinesischen Herstellers BYD: VW, Mercedes, BMW und Co. droht gefährliche Sackgasse (Foto: BYD)

Geschichte wiederholt sich, zu erst als Farce, dann als Tragödie. Mit dieser Verdrehung eines berühmten Zitats von Karl Marx ließe sich die Entwicklung von der deutschen Autoindustrie auf dem Weg zur klimafreundlichen Mobilität beschreiben. Denn statt mit aller Wucht das Elektroauto voranzubringen, bremsen VW, Merdes, BMW und Co. die Entwicklung gerade wieder trickreich aus. Dabei handelt es sich um die Wiederholung einer gleichgerichteten Strategie vor rund eineinhalb Jahrzehnten, als diese zum ersten Mal Geschichte machte, nun im zweiten Anlauf jedoch zur Farce wird. Dass diese in einer Tragödie zu enden droht, zeichnet sich unübersehbar ab.

ANZEIGE

Fehlende konkurrenzfähige Elektroautos in China

Die Ursache für die gefährliche Entwicklung liegt in China, dem bisher größten Markt der deutschen Hersteller, wo VW im vergangenen Jahr 36 Prozent, Mercedes 32 Prozent und BMW 31 Prozent ihrer Fahrzeuge verkauften, im Schnitt 34,3 Prozent. Nirgendwo sonst auf der Welt läuft das Geschäft für sie so gut. Das Problem ist jedoch, dass die deutschen Konzerne diesen Absatz zum ganz großen Teil Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu verdanken hatten, diese Autos jedoch in China auf Dauer zu Auslaufmodellen mutieren.

Die Entwicklung ist direkt messbar, ihr Trend eindeutig. In der ersten Hälfte dieses Jahres stürzte der Absatz von Autos mit Verbrennungsmotoren in der Volksrepublik um zwölf Prozent auf 775 000 Einheiten ab, der Verkauf von elektrischen und teilelektrischen Fabrikaten hingegen explodierte um 38 Prozent auf 1,1 Millionen Fahrzeuge. Im Juli, dem ersten Monat des zweiten Halbjahrs kippte das Verhältnis dem chinesischen Autofahrerverband CPCA zufolge erstmals zugunsten der Stromer.

VW-Debakel mit Verbrennern in der Volksrepublik

Für die Verbrennerverfechter aus Deutschland bedeutet dies schon jetzt gravierende Absatzverluste und Gewinnrückgänge, wie Europas größter Hersteller Volkswagen und Edelproduzent Mercedes zeigen. Prognosen gehen davon aus, dass VW in diesem Jahr mit seinen beiden Joint-Venture-Unternehmen Saic und FAW in China rund drei Milliarden Euro weniger einnehmen wird als 2018. Betrug der Betriebsgewinn der Gemeinschaftsunternehmen damals noch mehr als 4,6 Milliarden Euro ab, erreichte dieser im ersten Halbjahr 2024 nicht einmal mehr eine Milliarde Euro. Das waren noch einmal 350 Millionen Euro weniger als im Vorjahreszeitraum.

Die Zahl der verkauften Fahrzeuge rauscht immer weiter nach unten. Seit 2020 setzte VW von seiner Kernmarke in der Volksrepublik mehr als 430 000 Einheiten weniger ab, im ersten Halbjahr ging es um weitere vier Prozent abwärts. Innerhalb von viereinhalb Jahren sank der Marktanteil des Volkswagen-Konzerns in China über alle Marken von 19 auf 14 Prozent.

Auch Mercedes verzeichnet harsche Rückgänge

Ähnlich miserabel läuft es bei Mercedes in China. Im ersten Halbjahr ging der Absatz um zehn Prozent auf 352 000 Fahrzeuge zurück. Das anteilige Betriebsergebnis aus der Gemeinschaftsproduktion mit dem chinesischen Staatskonzern Baic sank gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar um 15 Prozent auf 645 Millionen Euro, die Zahl der nach China exportierten Limousinen und SUV um fast ein Viertel von 80 000 auf 62 000 Fahrzeuge.

Niedergang von VW, Mercedes, BMW und Co.

Den Niedergang haben VW und Co. selbst zu verantworten, weil sie viel zu halbherzig die Elektromobilität verfolgen. “Wir sehen ganz klar eine Verdrängung des konventionellen Antriebs”, so die wenig überraschende Feststellung etwa von Jan Burgard, dem Chef der Sparte Berylls von der Unternehmensberatung Alix Partners. Mit dem parallel stark steigenden Anteil von Elektroautos in China wachse “die Dominanz der heimischen Anbieter”.

Im Klartext heißt das nichts anderes als: Die deutsche Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren versäumt, Elektroautos zu entwickeln, die mit Konkurrenzfahrzeugen chinesischer Hersteller mithalten können. Gelang es ihnen bis eben noch, davon mit den hohen Verkaufszahlen von Verbrennern abzulenken, legt das Umkippen des chinesischen Marktes zugunsten der Stromer die fehlgeleitete Strategie der deutschen PS-Branche nun schonungslos bloß.

Staatlich unterstützte Verzögerung der Elektromobilität

Die tiefere Ursache dafür liegt in einem schädliche Zusammenwirken der hiesigen Konzerne mit den ihnen geradezu hörigen Regierenden. Die Geschichte nahm ihren Ausgang unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), als diese mit Blick auf die sich abzeichnende Elektromobilität zugunsten des Klimaschutzes am 3. Mai 2010 eine sogenannte Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) ins Leben rief. Dem Mammutgremium mit nationaler Anmutung gehörten zehn Spitzenvertreter der Industrie, drei der Wissenschaft, sechs der Politik, drei der Wissenschaft sowie ein Gewerkschafter an. Doch wer glaubte, der Riesenzirkel mit diversen Arbeitskreisen würde zügig ein Programm für mehr Elektroautos verabschieden, sah sich getäuscht.

Vielmehr zeichnete sich schnell ab, dass der Debattierclub bis zu seiner Umbenennung 2018 ins Unverbindliche, nämlich in Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), vor allem ein Ziel verfolgte: Eine schnelle Einführung der Elektroautos zu verhindern. Im Vordergrund stand, den Herstellern zu ermöglichen, ihre zig Milliarden schweren Investitionen in Anlagen und Knowhow zur Herstellung von Verbrennungstechnik möglichst lange zu verwerten. Während andere Länder einschließlich China Kaufprämien für Elektroautos beschlossen, verzichteten die Regierenden in Berlin darauf erst einmal.

Politik pampert VW, Mercedes, BMW und Co. auf dem Weg in die Sackgasse

Dieser Ansatz, nämlich den Verbrenneranhängernin den Chefetagen der hiesigen Autokonzerne zu dienen, wiederholt sich nun, jedoch als Farce. Hatte die EU vor einem Jahr noch das Aus für die Zulassung von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen, tut die Ampel-Regierung unter Führung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) jetzt alles, damit auf EU-Ebene der Beschluss weiter aufgeweicht wird. Nachdem die von den Grünen mitgetragene Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) die vorübergehend eingeführten Kaufprämien für Stromer wieder abgeschafft hatte, wird jetzt unter dem Vorwand der sogenannten Technologieoffenheit Verbrennungsmotoren mit klimaneutralem Kraftstoff, den E-Fuels, die große Zukunft prophezeit.

Dass es diese in den erforderlichen Mengen in absehbarer kaum geben wird, dass diese eine miese Energiebilanz aufweisen, dass die wenigen Mengen vor allem im Gütertransport und Schiffsverkehr gebraucht würden, all das wird zur Seite gewischt. Stattdessen werden die Konzerne auf ihrem, wie China jetzt zeigt, drohenden Weg in die Sackgasse politisch noch gepampert.

Erste Reaktion: VW macht Rückzieher bei Zukunfts-E-Auto

Und schon zeigt der fehlende Druck durch die Politik erste Wirkungen. So hatte der vorige VW-Chef Herbert Diess entschieden, bis 2026 ein Zukunftselektroauto namens Trinity zu entwickeln, mit dem Europas Marktführer weltweit insbesondere in China brillieren und dem US-Konkurrenten Tesla Paroli bieten können sollte. Doch daraus wird nun so schnell nichts. Diess’ Nachfolger Oliver Blume verschob das Projekt nach seinem Amtsantritt im Herbst erst einmal um zwei bis drei Jahre nach hinten. Nun soll der Trinity erst 2032 produziert werden.

Chinesen reagieren mit Elektrauto-Fabriken in EU

Befördert wird die Verzögerung der E-Mobilität wie vor zehn Jahren durch die Bundesregierung nun durch die EU-Kommission. Im Wissen, dass China immer bessere und günstigere Elektroautos baut und deren Absatz im eigenen Land sogar noch durch weitere Kaufprämien fördern will, drückte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) Strafzölle gegen Stromer made in China durch, die die hiesigen Hersteller vor den fernöstlichen Konkurrenzen schützen sollen.

Auch dies ist ein Farce. Denn erstens gehen US-Berater gehen davon aus, dass die chinesischen Exporteure die Strafzölle größtenteils wegestecken können, ohne dass ihre Gewinne signifikant leiden. Und zweitens haben chinesische Hersteller prompt damit begonnen, den Bau von Elektroauto-Fabriken in der EU ins Auge zu fassen. So will sich Weltmarktführer BYD in Ungarn niederlassen, Chery noch vor Jahresende mit der Produktion von E-Autos in einer ehemaligen Fabrik des japanischen Herstellers Nissan im Industriebezirk der spanischen Metropole Barcelona beginnen, der MG-Mutterkonzern SAIC möglicherweise in Italien eine E-Auto-Fertigung hochziehen.

Von der Farce zur Tragödie

Damit erweist sich die wieder aufgelegte Strategie von VW, Mercedes und Co, die Elektromobilität zu bremsen und willfährige Politiker dafür zu instrumentalisieren, als Hochrisikospiel. Denn sie birgt die Gefahr, dass sich der Rückstand gegenüber den chinesischen Elektroautobauern noch weiter vergrößert – und die wichtigste deutsche Industrie in eine Tragödie schlittert.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*