Der Ausbau der Windkraft schwächelt zum Jahresauftakt, vor allem im Süden. Auf einer Braunkohlehalde in der Lausitz entsteht ein Riesen-Windrad.
Auch wenn die Erneuerbaren vergangenes Jahr erstmals mehr als die Hälfte zur deutschen Bruttostromerzeugung beitrugen – die Errichtung neuer Anlagen schreitet mit Ausnahme der Solarenergie längst nicht schnell genug voran. Das gilt zuallererst für die Hauptsäule der Energiewende: die Windkraft. Sie verfehlte die gesetzlich vorgegebenen Ausbauziele 2023 um rund die Hälfte.
Auch der Start ins neue Jahr ist verpatzt. Im ersten Quartal 2024 wurden bisher lediglich neun Prozent des Jahresziels erfüllt. Gerade einmal 600 Megawatt (MW) gingen ans Netz. Rund 7000 MW müssten es nach der Planung bis Jahresende werden. Aussichtslos, befürchten Experten. Das Ziel von 145 000 MW installierter Leistung bis 2030 rückt in die Ferne. Aktuell drehen sich erst Windräder mit 62 000 MW zwischen Flensburg und Konstanz.
Windkraft mit miesem Jahresauftakt
Die Schuldigen für den Rückstand sitzen im Süden der Republik. Insbesondere in Bayern und im grün regierten Baden-Württemberg regt sich weiterhin wenig bis nichts in Sachen Windkraft. Die dortigen Defizite können die fleißigen Zubauer im Norden (siehe Grafik unten) nicht ausgleichen. Stand April taten sich vor allem Kreise aus Schleswig-Holstein (4 unter den Top 10) Niedersachsen (3), Rheinland-Pfalz (2) und Nordrhein-Westfalen (1) hervor. Mit Emden, Dithmarschen und Flensburg an der Spitze.
Rekord-Höhenwindrad in Brandenburg
Wird ein Vorhaben des Dresdners Ingenieurhauses Gicon Realität, könnte indes Brandenburg schon bald neue Maßstäbe bei der elektrischen Ausbeute von Windkraft setzen. Messungen des Unternehmens in 300 Meter Höhe ergaben, dass Rotoren wegen der höheren Luftgeschwindigkeit in dieser Sphäre 60 bis 70 Prozent mehr Strom produzieren können als heutige Landmühlen. “Das Ergebnis hat unsere Erwartungen noch übertroffen”, freut sich Gicon-Chef Jürgen Großmann.
Nach der Erteilung der letzten Genehmigungen soll auf einer stillgelegten Braunkohlehalde in der Lausitz ein erstes Pilot-Höhenwindrad aufgestellt werden. Der von Meeres-Windenergieanlagen übernommene Rotor wird 365 Meter über dem Boden Energie ernten. Üblich sind bisher höchstens 230 bis 240 Meter. Großmann schätzt die Entwicklungs- und Errichtungskosten des ersten Exemplars auf bis zu 30 Millionen Euro.
Bewährt sich das Höhenmonster, will Großmann mit der an dem Projekt beteiligten Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) in der nächsten zehn Jahren bundesweit 1000 Anlagen installieren. Bevorzugt in bestehenden Windparks, sozusagen als zweite Etage. Den Berechnungen der Partner zufolge können die Mühlen fünf Prozent des hiesigen Strombedarfs decken.
Übermacht chinesischer Anbieter bei Windkraft
Damit sei der Markt jedoch noch lange nicht ausgereizt, glaubt Großmann. Allein in Deutschland sieht er ein Potenzial von 4000 solcher Höhenwindräder. Sie würden, so der Innovator, rund 40 000 MW zur Stromversorgung beisteuern. Und er hofft auf einen Exportschlager. Schon jetzt lägen jedenfalls Anfragen aus Saudi-Arabien, Malaysia, Brasilien und der Türkei vor, berichtet der Gicon-Chef.
Die Superräder der nächsten Generation könnten womöglich auch ein Schreckgespenst vertreiben, das gegenwärtig die heimische Windindustrie verunsichert: die wachsende Übermacht chinesischer Anbieter. Die Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE), Bärbel Heidebroeck, fürchtet vor allem eine Abhängigkeit vom Roten Reich bei zentralen Komponenten.
Ihre Horrorvorstellung: “Ich möchte mir keine Welt vorstellen, in der China deutsche Windenergieanlagen vom Netz nehmen kann und unsere Energieversorgung kontrolliert.”
Mehr: ndr forschung-und-wissen n-tv
Hinterlasse jetzt einen Kommentar