Artenvielfalt in Flüssen: Erst Erholung, dann Stillstand

Die Artenvielfalt in Europas Flüssen ist seit Ende der Sechzigerjahre enorm angestiegen. Doch seit 2010 verbessert sich wenig in europäischen Flüssen. Warum nur?

Naturbelassener Fluss Artenvielfalt stagniert seit 2020 nach starkem Anstieg (Senckenberg)
Naturbelassener Fluss Artenvielfalt stagniert seit 2010 nach zunächst starkem Anstieg (Senckenberg)

Nach jahrzehntelangem Rückgang und einem Tiefstand in den Fünfziger- und Sechsigerjahren des vergangnen Jahrhunderts hat sich die Artenvielfalt in Europas Flüssen enorm erholt. Die Erholung setzte ab 1968 ein. Ursache waren die Gesetzesinitiativen zur Reinhaltung der Gewässer. In den 53 Jahren danach hat sich die Artenvielfalt im Schnitt Jahr für Jahr um 0,73 Prozent verbessert. Die sogenannte funktionelle Diversität verbesserte sich jährlich im Mittel sogar um 2,4 Prozent. Funktionelle Diversität beschreibt die Vielfalt der Prozesse, die in einem Ökosystem ablaufen. Auch die Häufigkeit der Arten stieg jährlich um 1,17 Prozent. Dies fand ein Forscherteam des Senckenberg-Instituts in einer Langzeitstudie heraus.

„Die Zuwächse traten jedoch hauptsächlich vor 2010 auf und haben sich seitdem leider auf einem mehr oder weniger gleichbleibenden Niveau eingependelt”, erläutert Peter Haase, Erstautor der Studie und Sektionsleiter für Fluß- und Auenökologie am Senckenberg-Insititut. Während die Zunahme der biologischen Vielfalt in den Neunziger- und Zweitausenderjahren wahrscheinlich die Wirksamkeit von Verbesserungen der Wasserqualität und Renaturierungsprojekten widerspiegele, deute die sich anschließende stagnierende Entwicklung auf eine Erschöpfung der bisherigen Maßnahmen hin, meint Haas.

Urbane Räume beherbergen weniger Arten

Die Untersuchung berücksichtigte Datensätze aus 1 816 Zeitreihen aus der Zeit zwischen 1968 und 2020 in Flusssystemen von 22 europäischen Ländern. Sie umfasste über 700 000 Beobachtungen von 2 648 Arten. Wenig überraschend erholten sich die Süßwassergemeinschaften flussabwärts von Staudämmen, von städtischen Gebieten und Ackerland weinger schnell. Auch die Fauna an Standorten mit schnellerer Erwärmung verzeichnete geringere Zuwächse in Artenvielfalt, der Häufigkeit der Individuen und in der funktionellen Diversität.

Einwanderer kommen mit Belastungen besser zurecht

Rund 70 Prozent der der untersuchten Flussabschnitte wiesen eingewanderte Arten auf. Der durchschnittliche Anteil betrug 4,9 Prozent der Arten und 8,9 Prozent der Individuen. Die nicht-heimischen Arten fanden sich in städtischen Gebieten und an stärker belasteten Standorten besser zurecht als die heimischen Tiere. Nach Meinung der Forscher könne dies zu einem Verlust seltender und empfindlicher einheimischer Arten führen.

Um die Artenvielfalt zu erhalten und auszubauen sind nach Meinung der Wissenschaftler erhebliche Investitionen in Abwässernetze und Kläranlagen notwendig. So müsse das Überlaufen von Kläranalgen verhindert werden. Ebenso sollten Salze und Nährstoffe wirksamer entfernt werden. Auch die Eintragung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft müsse vermindert werden.

Mehr: IWD

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*