Großbritannien: Atomkraft pfeift aus den letzten Meilern

Die Realität straft die Befürworter der Atomkraft der Weltfremdheit. Nach den Stillständen vieler AKW in Frankreich im vergangenen Jahr fällt nun in Großbritannien mehr als die Hälfte der Meiler aus.

Wirtschaftlich entgleister englischer Atommeiler Hinkley Point: Von den neun verbliebenen AKW in Großbritannien sind sechs abgeschaltet (Foto: EDF)

Dass der international angekündigte massenhafte Ausbau der Atomkraft eine Illusion darstellt, hat unlängst der alternative Nobelpreisträger Mycle Schneider in einer brillanten Analyse bewiesen. Nun holt auch die Realität die Atombefürworter ein. Nachdem im vergangenen Jahr Frankreich teilweise nur über die Hälfte seiner vielfach maroden Meiler verfügen konnte und Strom importieren musste, geben diese nun auch in Großbritannien immer häufiger aus Altersgründen den Geist auf. Allein in diesem Januar fallen immer mehr AKW aus und liefern keinen Strom, gerade trifft es Block 1 im schottischen Torness mit einer Leistung von 682 Megawatt. Damit sind von neun in Betrieb befindlichen britischen Atomkraftwerken mit einer Leistung von 6 500 MW nur noch drei mit verbleibenden 2 500 Megawatt am Netz. Mit den sechs anderen Atomkraftwerke wurden 4 000 Megawatt abgeschaltet.

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Wie groß der Niedergang der Atomkraft auf der Insel ist, zeigt der Blick in die Vergangenheit. Mitte der 1990er Jahre liefen in Großbritannien noch AKW mit einer Leistung von in der Spitze rund 13 000 Megawatt. Heute ist es nicht einmal ein Fünftel. Um die verbleibenden Meiler vor der Abschaltung zu bewahren, erwägt der staatliche französische Energiekonzern EDF als Betreiber, ein Laufzeitverlängerung zu erwirken. Grund ist die drohende nochmalige Verzögerung bei der Inbetriebnahme des einzigen neuen AKW Hinkley Point im Südwesten Englands. Denn offenbar wackelt der Start C von Block C1 am 1. Juli 2027 und von Block C2 am 1. Juli 2028 am Netz.

An Hinkley Point zeigt sich die ganze Ignoranz der Atom-Euphoriker gegenüber der Realität. Wie bei den neuen Meilern im französischen Flamanville und im finnischen Eurajoki, dessen Block 3 auf der Insel  Olkiluoto kürzlich wieder abgeschaltet werden musste, ist auch das Kernkraftmonstrum um Süden Englands wirtschaftlich völlig entgleist. Statt ursprünglich umgerechnet 21 Milliarden Euro dürfte Hinkley Point am Ende mindestens rund 38 Milliarden Euro kosten. Der beteiligte Nuklearkonzern China General Nuclear Power Group weigert sich inzwischen, weiteres Geld in die Anlage zu stecken, weswegen nun EDF unter Druck gerät. Um die Anlage wirtschaftlich zu betreiben, hat der britische Staat EDF und Co. eine Mindestvergütung von zuletzt umgerechnet 14,8 Cent pro Kilowattstunde garantiertgegenüber 4,8 bis acht Cent, die Stromerzeugung mit Windkraftanlagen an Land kostet.

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