Um deutschen Unternehmen in der Wirtschaftsflaute zu helfen, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen ihnen erlauben, zwei Jahre lang das deutsche Lieferkettengesetz nicht beachten und keine Verantwortung für Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltschutz bei Zulieferern übernehmen zu müssen – ein weiterer Abschied von Kernforderungen seiner Partei. Die Klatsche dafür gab es bei der Europawahl.
Das kürzlich von der EU verabschiedete Lieferkettengesetz tritt erst von 2026 an in Kraft und gilt vollumfänglich erst von 2032 an. Bis zum Start des Gesetzes greift in Deutschland noch das hiesige Lieferkettengesetz, das von der schwarz-roten Vorgänger-Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verschiedet wurde und deutsche Unternehmen mitverantwortlich macht bei Verstößen gegen Menschenrechte und Umweltschutz bei ihren Zulieferern. Ausrechnet der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schlägt nun vor, diese Verantwortung bis zum Inkrafttreten des EU-Lieferkettengesetzes auszusetzen. “Das wäre das Beste. Das halte ich für absolut vertretbar”, so Habeck mit Blick auf die gegenwärtige Stagnation der deutschen Wirtschaft .
SPD kritisiert “Opfern von Menschenrechten”
Habecks Plädoyer für zwei Jahre Pause für Menschenrechte und Umweltschutz, geäußert vor Familienunternehmern in Berlin, stieß wie erwartet auf Zustimmung der FDP. Deren Chef Christian Lindner, zugleich Bundesfinanzminister, sieht in der Ignorierung von Menschenrechten und Umweltschutz bei Zulieferern einen “Baustein der Wirtschaftswende”. Von den Sozialdemokraten hingegen kommt scharfe Kritik an Habeck. “Will hier ernsthaft ein Spitzenpolitiker der Grünen die Menschenrechte opfern, um sich bei den Familienunternehmen anzubiedern?”, so der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Martin Rosemann. “Wir reden hier über den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und wir reden über die Ausbeutung von Kindern.”
Aufruf zum Abschied von weiterer Kernforderung der Grünen
Die Geschichte des Lieferkettengesetzes ist quälend. Zuerst reduzierte der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Verantwortung für die Zulieferer auf Großunternehmen, sodass selbst Firmen wie der Outdoor-Spezialist Vaude gegen die Gewissenlosigkeit weiter Teile der deutschen Industrie und ihrer Anhänger im Bundestag protestierten. Kaum waren die amputierten Vorschriften in Kraft, intervenierte nun die Ampel-Regierung auf Druck der FDP so lange in Brüssel, bis das EU-weit gültige Gesetz nur noch auf einen kleinen Teil der ursprünglich geplanten Unternehmen zugeschnitten wurde.
Der neuerliche Schlag gegen die Verantwortung deutscher Unternehmen für Untaten ihrer Zulieferer weist über das bisherige Hickhack hinaus. Er zeigt nämlich zugleich, wie umfänglich und atemberaubend schnell die Grünen eine Kernforderung der Partei nach der anderen seit der Ampel-Koalition aufgaben. Los ging es mit dem Verzicht auf ein Tempolimit auf Autobahnen, es ging weiter mit dem Abschied vom europaweiten Aus für Verbrennungmotoren sowie dem Verzicht auf mehr Brachen in der großindustriellen Landwirtschaft und setzte sich fort mit der Genehmigung der CO2-Verpressung unter der Erde (CCS) bis hin zum jetzigen Vorschlag von Habeck, in Deutschland zwei Jahre lang die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte und Umweltschutz bei Zulieferern auszusetzen. Offenbar sind die Umfaller der Ökos inzwischen auch bei deren Wählern angekommen, wie der Absturz der Grünen bei der Europawahl zeigt.
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