Ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zeigt sich: Auch Natur und Umwelt leiden. Greenpeace hat nun auf einer interaktiven Karte die schlimmsten Fälle dokumentiert.
Unter dem russischen Überfall leiden nicht nur die Menschen. Schon Ende vergangenen Jahres zählte das ukrainische Umweltministerium über 2 000 Fälle von Umweltzerstörung. Der Umweltinitiative WWF zufolge sind etwa drei Millionen Hektar Wald, rund ein Drittel des gesamten Waldbestandes der Ukraine, von den Kampfhandlungen betroffen.
Die Wälder, Auen und Moore der Ukraine gehören zu Europas wichtigsten Naturräumen. Das Land beherbergt über ein Drittel der Biodiversität Europas. Dazu gehören 70 000 Tier- und Pflanzenarten. Viele davon waren schon vor Kriegsbeginn bedroht. Die Ukraine ist bevorzugter Lebensraum für seltene Tiere wie Braunbär, Auerochse oder Luchs. In den Gewässern leben Störe und Delfine. Doch rund 30 Prozent der Naturschutzgebiete von rund 1,2 Millionen Hektar Größe sind inzwischen beschädigt durch Beschuss, Bomben, Öllecks und Zerstörungen durch militärische Kettenfahrzeuge. Von den 377 ausgewiesenen Gebieten des sogenannten Smaragd-Netzwerkes wurde mehr als ein Fünftel durch Kämpfe und Truppenbewegungen beschädigt. Die Smaragd-Zonen gelten gemäß internationaler Abkommen als „Gebiete mit besonderem Schutzinteresse“.
Lärmterror für Delfine
Auch die einzigartigen Feuchtgebiete am Dnipro-Delta, der ausgedehnten, flachen Schwarzmeerlagunen oder die Moore und Auen des Desna-Flusses, die durch die zwischenstaatliche Ramsar-Konvention geschützt sind, sind von Zerstörung bedroht. Den einst reiche Bestand an Schwarzmeer-Delfinen dezimiert die russische Marine durch die Auswirkungen der Abschüsse von Raketen und mariner Artillerie. Vor allem aber der infernalische Unterwasserlärm mit Schallstärken von bis zu 240 Dezibel der russischen Sonargeräte macht den Delfinen zu schaffen. Die Schäden stammen ausschließlich von der russischen Marine. Eine nennenswerte ukrainische Marine gibt nicht mehr.
Ranger dienen an der Front
Vielerorts haben die Verwaltungen der Schutzgebiete ihre Arbeit einstellen müssen. Häufig verhinderten die Kriegshandlungen die Weiterarbeit. In anderen Fällen fehlt das Personal, weil die Ranger inzwischen als Soldaten ihr Land verteidigen. Zusätzlich stehen die Naturparks unter dem Druck der Fluchtbewegungen. Bereits im vergangenen Jahr bot der Synevir-Park über 15 000 Vertriebenen Zuflucht.
Neben der Naturschutz-Katastrophe bringt der Krieg Umweltschäden in kaum ermessbaren Ausmaß mit sich. Die Ukraine ist nicht nur ein einzigartiger Naturraum, sondern auch von Schwerindustrie mit Chemieanlagen, Kohleminen und Kraftwerken geprägt. Die Zerstörung von Gas- und Stromleitungen gefährden die Unterhaltung der Anlagen. Wenn Pumpen ausfallen, saufen stillgelegte Bergwerke ab. Das Grundwasser reichert sich dann mit Schwermetallen und anderen Giften an.
Gift aus den Leckagen der Ukraine
Hinzu kommen die Leckagen durch Treffer auf Brennstoff- und Chemielagern. Zerstörte Kläranlagen verschmutzen Wasserquellen und Brunnen. Staudämme sind durch Beschuss gefährdet. Noch bedrohlicher sind Schäden, die von Atomkraftwerken ausgehen. Saporischschja, das größte AKW in ganz Europa, geriet zeitweise zwischen die Fronten. Nicht registrierte Minen, die auf Feldern, Weiden aber auch in Dörfern und Städten liegen, gefährden Mensch und Tier. Nicht zuletzt haben Politik, Behörden, aber auch Bürgerinitiativen fast alle Umweltschutz-Aktionen und -Maßnahmen kriegsbedingt herunter gefahren.
Genaue Zahlen über die Umwelt- und Naturschäden liegen kriegsbedingt nicht vor. Die heute von Greenpeace und der ukrainischen Umweltorganisation Ecoaction vorgestellte digitale Karte zeigt von 900 dokumentierten schweren Umweltschäden 30 exemplarische Fälle. Dazu gehören beispielsweise ein Waldbrand über 17 000 Hektar in Luhansk, ausgelöst durch russische Raketen oder ein Ölteppich im Schwarzen Meer nach Beschuss einer Förderplattform.
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