Werden zu schwache Stromnetze zum Flaschenhals der Energiewende?

Ein Bericht der Internationalen Energieagentur warnt davor, dass unterdimensionierte Stromnetze die Energiewende torpedieren könnten.

Hochspannungstrassen Zu schwache Stromnetze könnten Energiewende gefährden (Max Hilbig/Pixelio.de)
Hochspannungstrassen Zu schwache Stromnetze könnten Energiewende gefährden (Max Hilbig/Pixelio.de)

Dem jüngst veröffentlichten Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge müssen bis zum Jahre 2040 Stromnetze mit einer Länge von 80 Millionen Kilometer neu verlegt oder ersetzt werden. Das entspricht dem heutigen weltweiten Netz. Die IEA befürchtet daher, dass der Netzausbau weder mit der Nachfrage nach Strom, noch mit dem stürmischen Wachstum der Erneuerbaren Schritt hält. Auf Nachfrageseite stehen der zusätzliche Strombedarf durch E-Autos oder Wärmepumpen. So erwarten die Experten des Weltenergierates bis 2040 eine Steigerung der globalen Nachfrage um 60 Prozent (Ausgangsbasis 2016). Der Strom gehe zunehmend in Bereiche, für die bislang meist Gas, Öl oder Kohle verwendet wurde. Das gilt vor allem für die Gebäudeheizung oder den Transport.

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Schon jetzt befinden sich weltweit Vorhaben mit einer Kapazität von 1 500 Gigawatt für Erneuerbare Energien in einem fortgeschrittenen Projektstadium. Das entspricht dem Fünffachen der Kapazität, die im vergangen Jahr an Solar- und Windenergie weltweit zugebaut wurde. Sollen die Netze mit dem Wachstum der Erneuerbaren mithalten, müssten die jährlichen Investitionen sich bis 2030 auf 600 Millarden US-Dollar verdoppeln. In den vergangenen Jahren stagnierten die Ausgaben für die Netze jedoch.

Ausbau der Stromnetze hinkt hinterher

Netzausbau ist eine komplizierte Sache. Wegen der komplexen Genehmigungsverfahren und der Knappheit an Material braucht es fünf bis fünfzehn Jahre, bis ein neues Netz geplant, genehmigt und erstellt ist. Solar- und Windprojekte brauchen dafür nur ein bis fünf Jahre. Auch auf der Nachfrageseite geht es schneller: Eine neue öffentliche Ladestruktur für E-Fahrzeuge entsteht in weniger als zwei Jahren.

Die IEA apelliert daher an die Regierungen, den Netzausbau zu beschleunigen. Zusätzlich sollte die Digitalisierung voran getrieben werden, um die Netze zu stabilisieren. Auch die Verbindungen über Landesgrenzen seien wichtig, um Lastveränderungen auszugleichen. „Die jüngsten Fortschritte bei sauberer Energie, die wir in vielen Ländern gesehen haben, sind beispiellos und geben Anlass zu Optimismus”, sagt IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. Sie könnten, so Birol, jedoch gefährdet werden, wenn Regierungen nicht sicherzustellen, dass die Stromnetze der Welt für die neue globale Energiewirtschaft bereit sind.

Nimbys gegen Stromtrassen

In Deutschland, besonders im Süden, werden diese Forderungen bei vielen Politikern auf taube Ohren stoßen. Die Versorgung der bayrischen Industrie zum Beispiel mit Strom aus dem windreichen Norden ist auch deshalb gefährdet, weil in Bayern Landespolitiker sich auf die Seite von fragwürdigen Bürgerinitiativen geschlagen hatten. Letztere empfanden den Anblick von Stromtrassen als nicht zumutbar.

Nach den Demonstrationen von Bayern-Nimbys (Not in my backyard) mussten die Trassen SüdLink und SüdOstLink im Freistaat zum Teil unterirdisch verlegt werden. Technisch jedoch sind U-Leitungen aufwendig. Der Trassenbau geht deshalb nur langsam voran. Die U-Trassen sind etwa zehnmal so teuer wie oberirdische. “Wir sind ja nicht irgendein Bundesland”, hatte der damalige CSU-Chef und Landesvater Horst Seehofer im Jahre 2014 die Extrawurst für die Bayern begründet. Es sei seine Pflicht, diese sogenannten Monstertrassen, die quer durch die schöne Landschaft führten, zu verhindern.

Populisten fördern Erderwärmung

Zu befürchten ist, dass auch in anderen Ländern populistische Volksvertreter Stromtrassen bekämpfen. Sollten sie sich in der Breite durchsetzen und den Ausbau der Netze verlangsamen oder gar verhindern, würden – dem IEA-Scenario zufolge – die CO2-Ausstöße zwischen 2030 und 2050 sich in der Summe um 60 Milliarden Tonnen erhöhen. Dies entspricht den gesamten CO2-Emissionen des globalen Energiesektors während der vergangenen vier Jahren. Der globale Temperaturanstieg würde damit deutlich über dem Ziel des Pariser Abkommens von 1,5 Grad Celsius liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er zwei Grad übersteigt, läge bei 40 Prozent.

Mehr: Internationale Energie Agentur

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