Es droht die Schließung der letzten Solarfabriken. Dennoch verweigert die FDP jede Unterstützung für die Solarindustrie. Was treibt die Liberalen?
Das verstehe, wer will. Als Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine vor zwei Jahren angriff, stellten Deutschland und Europa erschrocken fest, wie abhängig sie von russischem Erdgas waren. 40 Prozent der Lieferungen kamen von dort. Eine derartiges Ausgeliefertsein sollte sich nicht wiederholen, schwor die Politik. Doch ausgerechnet bei einer der Säulen der Energiewende – der Solarindustrie – ist die Abhängigkeit noch viel krasser.
Nur diesmal von einem anderen totalitären Regime: China. Sie betrage bei Solarmodulen und -zellen fast 100 Prozent, warnt der deutsche Vorstandschef des Schweizer Solarunternehmens Meyer Burger, Gunter Erfurt. „Und das in einer Technologie, von der die Zukunft unseres Landes abhängt.“
Solarindustrie leidet unter chinesischen Kampfpreisen
Erfurt spricht nicht zuletzt in eigener Sache. Nachdem die Berliner Ampelregierung trotz monatelanger Bitten bis heute keinen schlüssigen Plan vorlegen konnte, die hiesigen Hersteller gegen den hoch subventionierten Wettbewerb aus dem Reich der Mitte zu unterstützen, zieht der Manager die Notbremse. Findet die Bundesregierung nicht doch noch im letzten Moment eine Lösung, wird Europas größte Solarmodul-Produktion im sächsischen Freiberg bis Ende April stillgelegt. Mit ihr verschwänden 500 Arbeitsplätze.
Stattdessen baut Meyer Burger zwei neue Werke in den USA. Dort seien die Rahmenbedingungen weitaus besser, begründet Erfurt die Entscheidung. Dort lockt US-Präsident Joe Biden ebenfalls mit Subventionen. Gerade erst hat er zusätzlich 24 Millionen Dollar für Trainingsprogramme von Solarwerkern bewilligt. Die Schulungen sollen die Produktivität erhöhen.
Auch in Dresden droht eine Schließung
Die Meyer-Burger-Ankündigung ist nicht die einzige Schreckensnachricht. Auch Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus droht mit Schließung seiner Solarmodulfabrik in Dresden zum Ende des Jahres, fände die Politik keine Lösung. Weitere 120 Jobs wären flöten.
Bisher jedoch verpuffen alle Appelle an der ideologischen Verbortheit der mitregierenden FDP. Wieder einmal spielt sie Opposition in der Regierung. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck würde der Solarindustrie gerne mit einem „Resilienzbonus“ unter die Arme greifen. Heißt: Greifen Investoren von Dachanlagen und Solarkraftwerken zu tendenziell teureren Produkten mit einem Anteil aus hiesiger Fertigung, erhalten sie zum Ausgleich einen staatlichen Zuschuss.
Doch da stellen sich die Liberalen quer. Sie wollen alles dem Markt überlassen – und sei der Wettbewerb auch noch so verzerrt. Lapidar verkündet der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Reinhard Houben. „Die Politik kann Preisnachteile einzelner Unternehmen nicht dauerhaft mit Subventionen heilen.“
Sturz vom Solarpionier in die Bedeutungslosigkeit
Für den parteilosen Landrat von Mittelsachsen, Dirk Neubauer, wo das Meyer-Burger-Werk liegt, grenzt die Einstellung „an Sabotage“. Er weist wie Firmenchef Erfurt auf die umgerechnet rund 920 Milliarden Euro hin, mit denen die Pekinger Regierung heimischen Topherstellern wie Longi, Trina, Jinko und JA Solar zu ihrer heutigen Größe verholfen hat. Laut Erfurt soll die Fertigungskapazität bei einem Terawatt Leistung im Jahr liegen. Aber erst zur Hälfte ausgelastet sein. Zum Vergleich: Meyer Burger stellt im Jahr gerade einmal Module mit einer Leistung von 1,4 Gigawatt (GW) her – ein winziger Bruchteil.
Paradox genug. Die Deutschen investieren in Solartechnik so viel wie nie. Von 2022 auf 2023 hat sich die neu installierte Leistung fast verdoppelt – von 7,5 auf 14,4 GW (siehe Grafik oben). Doch lassen sie mit ihrem Geld vor allem die Kassen der chinesischen Anbieter klingeln. Spitze ist das Land nurmehr beim Nutzen. Die eigene Solarindustrie, einst als „Solarpionier“ in aller Welt bewundert, geht hingegen vor die Hunde. Wieder einmal geht eine Schlüsselindustrie verloren.
Mehr: msn cleantechnica cleanenergywire
Hinterlasse jetzt einen Kommentar