Unterm Strich Note 5: So lassen sich die Bewertungen zusammenfassen, die die Ampel-Koalition für ihre Beschlüsse zur Klimapolitik in den vergangenen Tagen erhielt. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte der Kritik.
Für die Mainstreammedien wie ARD und ZDF stand zunächst einmal im Mittelpunkt, wie lange sich die Spitzenvertreter von SPD, Grünen und FDP unter Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz zusammenraufen mussten, um sich auf Maßnahmen der Klimapolitik zu einigen: drei lange Tage. Was dabei herauskam, wurde in den Folgentagen von fast allen Seiten mehr oder weniger verrissen. Im Zentrum der Kritik stehen die Beschlüsse zur Schonung des Verkehrssektor bei der Einsparung von CO2, die Errichtung von Solarananlagen an Autobahnen zum Ausgleich für deren Ausbau, das Paket für klimafreundlicheres Heizen sowie der Verzicht auf einen Ausgleich verlorener Naturflächen durch Ersatzflächen. Ein Überblick über die wichtigsten Stimmen.
Horrornachricht für den Verkehrsektor
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die Beschlüsse als „Katastrophe“. Im Verkehrsbereich seien „die Horror-Nachrichten kaum zählbar“, so Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Gemeint ist damit die Entscheidung, dass der Verkehrssektor mehr klimaschädliches CO2 als vorgeschrieben ausstoßen darf, wenn andere Sektoren wie die Industrie oder die Gebäude ihre Ziele übertreffen. Und das nachdem Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP bis zuletzt verhinderte, konkrete Maßnahmen gegen den Einsatz fossiler Treibstoffe vorzulegen. Mit der Schonung des Autoverkehrs heiße Kanzler Scholz es “gut, dass der größte klimapolitische Erfolg seiner Partei, das Klimaschutzgesetz, entkernt wird“, so Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser. Durch den weiteren Autobahn-Ausbau werde „das Klima weiter vor die Wand gefahren”. Der Geschäftsführer des Naturschutzbundes WWF Deutschland, Christoph Heinrich, sieht in den Beschlüssen sogar einen „Frontalangriff auf das Klimaschutzgesetz“. Selbst Grünen-Chefin Ricarda Lang räumt ein: „Zufrieden geben kann man sich mit dem, was auf dem Tisch liegt, noch nicht.“
Solaranlagen an Autobahnen – eine Farce
Heftige Widerworte kommen auch von Marie-Luise Wolff, der Präsidentin des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), zu der Eingigung der Ampel-Unterhändler, es solle “kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen”. Dies sei eine “Farce” und ein “Kuhhandel” ohne Substanz, so Wolff. Zum einen stünden “entlang der jetzt schon sehr eng geplanten Trassen kaum genügend Flächen zur Verfügung, um einen spürbaren Effekt zu erreichen”. Zum anderen bringe ein weiterer Ausbau des Autobahnnetzes eine weitere Ausweitung des motorisierten Individualverkehrs.
Wörtchen “möglichst” verwässert Heizungsumbau
Fast bis zum Nichtssagenden aufgeweicht ist die Planung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), reine neue Öl- und Gasheizungen schon im kommenden Jahr zu verbieten. Nun heißt es in dem Papier “schwammig”, so DUH-Chef Resch, „dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll.“ Mit dem Wörtchen “möglichst” willigte Habeck in seine Verzwergung ein – zu Lasten der überfälligen energetischen Sanierung der deutschen Gebäude.
Schnellladepunkte sind olle Kamellen
Schließlich rühren wichtige Beschlüsse, auf die sich SPD, Grüne und FDP geeinigt haben, offenbar aus früheren Zeiten, bringen also keine neuen Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel. So stammt das scheinbar greifbarste Ergebnis, dass es innerhalb von fünf Jahren an allen Tankstellen Schnellladepunkte geben soll, von der vorigen schwarz-roten Bundesregierung. Die hatte bereits 2019 beschlossen, dass „an allen Tankstellen in Deutschland Ladepunkte angeboten werden sollen, an denen zu günstigen Preisen Elektrofahrzeuge aufgeladen werden können“.
Vorrang für Windräder steht schon im Gesetz
Besonders stolz ist der grüne Vizekanzler Habeck auf den Beschluss, es solle „eine flächenspezifische Außenbereichsprivilegierung für bestimmte besonders geeignete Flächen eingeführt werden. Auf diesen Flächen sollen Windenergieanlagen für die direkte Belieferung der benachbarten Unternehmen errichtet werden können, ebenso soll auch der Eigenverbrauch ermöglicht werden.“ Auch das ist nicht neu, sondern steht in Paragraph 35 des Baugesetzbuches: „Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- und Wasserenergie dienen, sind im Außenbereich privilegiert.“
Aus Koalitionsvereinbarung abgeschrieben
Ebenso abkupfert ist der Satz in dem 16-seitigen Papier der Koalitionäre: „Die Lkw-Mautpflichtgrenze wird zum 1. Januar 2024 abgesenkt, sodass grundsätzlich alle Nutzfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse in die Gebührenerhebung einbezogen sind.“ Dies beschlossen die Ampel-Parteien schon in ihrem Koalitionsvertrag vom November 2021.
Von Reinhold Böhmer
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