Frankreichs Eisenbahn SNCF will ihren Strom künftig selbst produzieren

SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou hat die Gründung eines eigenen Stromversorgers angekündigt. Solarpaneele auf Bahngrundstücken sollen den Strom liefern.

Bahngelände in Paris SNCF will sich selbst mit Strom versorgen (Foto: SNCF)
Bahngelände in Paris SNCF will sich selbst mit Strom versorgen (Foto: SNCF)

Bereits im vergangenen Jahr hatte die SNCF das Programm Volta Ferro gestartet, um die Vorsorgung der Züge, Büros und Betriebswerke mit Strom zu sichern. Heute hat SNCF-Chef Farandou in einem Interview mit der französichen Tageszeitung Le Monde die Dimension des Projektes klargestellt. Es geht um nichts weniger als darum, dass der bislang größte Kunde der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft EDF letztlich zum Konkurrenten seines Lieferers wird.

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Bereits in zehn Jahren will die staatliche Eisenbahn-Gesellschaft bis zu 20 Prozent ihres Stromverbrauchs selbst erzeugen. Rund 15 000 Menschen sollen dann in der Hundert-Prozent-Tochter für die Energielieferung arbeiten. Bis 2050 wollen die französischen Bahner die vollständige Autonomie in der Stromversorgung erreichen. Das Projekt ist ehrgeizig: Von den rund 443 Terawattstunden Strom, die in Frankreich verbraucht werden, gehen rund neun Terawattstunden, also zwei Prozent des nationalen Gesamtverbrauchs, an die Bahn. Neun von fünfzig französischen Atomreaktoren arbeiten für die Bahn. Farandou betonte in dem Interview, dass der Verbrauch keinesfalls zurückgehe. Im Gegenteil: Er rechnet damit, dass der Bedarf der Bahngesellschaft in den kommenden zwanzig Jahren um die Hälfte ansteigen wird.

Solar statt Atom

Da nach Meinung von Energie-Experten auch der Bedarf anderer Verbraucher sich enorm steigern wird und sich Frankreichs Atomkraftwerke im vergangenen Jahr als wenig zuverlässig erwiesen haben, musste Farandou handeln. Zwar bleibe die Schiene das Kerngeschäft, doch mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine sei die Stromversorgung der SNCF zum heißen Thema geworden, erläutert Farandou dazu.

Überraschend für die französische Energielandschaft: Die Bahner setzen nicht auf Atomstrom. Allein mit der Wahl der Firma, SNCF Renouvelables, setzen sie ein Statement. Der Strom soll aus Solaranlagen stammen. Die plausible Begründung von Farandou: Die Bahn verfügt über zigtausende Kilometer aktive Bahnstrecken, an deren Rändern vertikale Solarkollektoren aufgestellt werden können. Mindestens ebenso lang sind die stillgelegten Bahnstrecken auf denen die herkömmlichen geneigten Kollektoren montiert werden können. Seit einem Jahr sind die Energiemanager der Bahn dabei, ein sogenanntes Sonnenkataster, das die potentielle Energieernte anzeigt, anzulegen.

Massenhaft Platz für Paneele

Bis jetzt hat die SNCF 10 000 geeignete Hektar Land nachweisen können. Farandou geht davon aus, dass pro Hektar Paneele mit einer Spitzenleistung von einem Megawatt installiert werden können. Damit könne ein Verbrauch von 1,5 Megawattstunde abgedeckt werden. Im ersten Bauabschnitt bis etwa 2030-2032 will der Bahn-Chef 1 000 Hektar bestücken. Diese Anlagen könnten etwa die Energie eines Kernreaktors bereitstellen. Im zweiten Bauabschnitt bis 2050 sollen alle verfügbaren 10 000 Hektar bestückt werden, um die Unabhängikeit von Lieferungen Dritter zu erlangen. Auf die zusätzlich denkbaren Flächen über Bürogebäuden oder Bahnhöfen geht der SNCF-Vormann nicht ein.

Kosten für Strombeschaffung verdoppelt

Ganz billig ist das Megaprojekt nicht. Jahr für Jahr will Farandou 100 bis 150 Millarden Euro investieren. Er hofft auf die Beteiligung von lokalen Finanzgebern, aber auch der klassischen Märkte. Angesichts der Explosion der Strompreise ergibt das Projekt auch für die Bahnkunden Sinn. Im vergangenen Jahr hatte die SNCF 700 Millionen Euro Stromkosten. Der Anteil an den Gesamtkosten hatte sich von sieben auf 14 Prozent verdoppelt. Vor der Krise hatte der Megawattpreis bei 50 Euro gelegen. In den vergangenen Monaten ist er auf 200 Euro gefallen. In der Spitzenzeit, während des vergangenen Jahres, betrug er 1 000 Euro. Farandou schließt aus, dass das niedrige Preisniveau, wie es vor der Krise bestand, je wieder erreicht wird.

Mehr: Le Monde

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