Greenwashing-Urteil verbietet Werbeaufdruck „umweltneutral“

Kann ein Produkt umweltneutral sein? Nein, sagt ein Gericht. Begründung: Der Begriff wecke falsche Erwartungen. Ein Verdikt gegen Greenwashing.

Blumenwiesen als Kompensation für Umweltbelastungen: Mehr Greenwashing als real
Renaturierung als Ausgleich für Umweltbelastung Mehr Greenwashing als real
Bild: Greenzero GmbH

Ein Regenwaldprojekt in Peru macht eine Flüssigseife noch nicht klimaneutral, ein wenig CO2-Kompensation und Bodenschutz ein Spülmittel nicht umweltneutral. Finden jedenfalls die Richter am Karlsruher Landgericht. Sie untersagen der Drogeriekette dm, seine Eigenmarken weiter mit diesem Label zu bewerben (Az. 13 O 46/22 KfH). Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die geklagt hatte, wertet das Urteil als „Meilenstein und wichtigen Erfolg gegen Greenwashing im Handel“.

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Meilenstein gegen Greenwashing im Handel

Ohne ausreichende, komplette und ehrliche Informationen über den ökologischen Fußabdruck eines Produkts und des dahinter stehenden Unternehmens sieht Resch in den Versprechen eine Täuschung der Verbraucher. „Wer mit Umwelt- und Klimaschutz wirbt, muss dies auch belegen.“ Der Kritik schließt sich Ramona Pop an, Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen: „Der Wildwuchs mit nachhaltigen Werbeversprechen treibt immer seltsamere Blüten.“

„Der Wildwuchs mit nachhaltigen Werbeversprechen treibt immer seltsamere Blüten.“

Ramona Pop, Bundesverband der Verbraucherzentralen

Bei den Karlsruher Richter stießen die Argumente auf offene Ohren. Der Begriff „Umweltneutralität“ verstoße regelrecht gegen das Irreführungsverbot, rügt der Vorsitzende Richter Steffen Wesche. „Die Werbung ist überschießend und damit unzutreffend.“ Soll heißen: In Wirklichkeit hätten so beworbene Produkte keine ausgeglichene Umweltbilanz.

Ein bisschen Waldschutz reicht nicht als Ausgleichsmaßnahme

Im Bezug auf Klimaneutralität sei es zwar zulässig, für nähere Informationen auf eine Internetseite zu verweisen. Allerdings nur, wenn der Hinweis auf der Verpackung gut zu erkennen sei. Auch reiche es wie im Fall dm als Beleg nicht aus, moniert Richter Wesche weiter, ein Waldschutzprojekt in Peru anzuführen. Der Anspruch Klimaneutralität gehe prinzipiell über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar sei, betonte er.

Die Drogeriekette weist den DUH-Vorwurf der Verbrauchertäuschung zurück. Die für Nachhaltigkeit zuständige dm-Geschäftsführerin Kerstin Erbe bekräftigte in einer Reaktion auf das Urteil das Ziel des Unternehmens, umweltneutral zu handeln.

Gegenläufiges Urteil in Düsseldorf

Ganz so einheitlich ist die Rechtssprechung allerdings nicht. Erst Anfang des Monats wies das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) eine Klage der Wettbewerbszentrale gegen den Süßwarenhersteller Katjes ab. Er dürfe seine Fruchtgummis und Lakritz weiter als „klimaneutral“ verkaufen, urteilten die dortigen Robenträger. Durch den Hinweis in der monierten Anzeige, die ausgeglichene Klimabilanz werde durch den Kauf von CO2-Zertifikaten erzielt, sahen die Richter die Informationspflicht als erfüllt an. Ein QR-Code führte zur Webseite von Climatepartner, die solche Zertifikate vermitteln.

Die Wettbewerbszentrale sieht jedoch anders als das OLG in dem Ablasshandel eine wettbewerbsverzerrende und vergleichsweise kostengünstige Maßnahme, dem Verbraucher Produkte als vermeintlich nachhaltig unterzujubeln. Unternehmen, die eigene große Anstrengungen unternähmen, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, gerieten dadurch in Nachteil.

DUH für generelles Verbot von irreführendem Greenwashing

Für DUH-Chef Resch ist das Urteil gegen dm nur ein Etappensieg. Insgesamt geht die Verbraucherschutzorganisation gegen 24 Unternehmen wegen irreführender Werbung vor. Darunter der Nivea-Konzern Beiersdorf, der Ölmulti Shell, und den Regionalflieger Green Airlines. Resch fordert zudem Bundesjustizminister Marco Buschmann und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke auf, irreführende Werbung mit vermeintlicher Klima- und Umweltneutralität generell zu verbieten.

Pointe am Rande: dm-Konkurrent Rossmann stoppte schon Anfang des Jahres seine Kampagnen mit dem Label „klimaneutral“.

Mehr: beck-aktuell wdr

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