So wollen Frankreichs Nationalpopulisten den Klimawandel für sich nutzen

Bislang waren die Nationalpopulisten Frankreichs auf dem grünen Auge weitgehend blind. Jetzt wollen sie das Thema entern – und die Nation in brave Landleute und böse Städter spalten.

Marine Le Pen (Mitte) Die Grande Dame der französischen Nationalpopulisten plädiert für eine "vernünftige Klimapolitik" (Grégory ROOSE/Pixabay)
Marine Le Pen (Mitte) Die Grande Dame der französischen Nationalpopulisten plädiert für eine “vernünftige Klimapolitik” (Grégory ROOSE/Pixabay)

Eine der Kernaussagen der Rechtspartei Rassemblement National (RN) für die kommenden Wahlkämpfe lautet: Die Pariser Öko-Eliten etablieren eine Verbotskultur gegen die Landbevölkerung und die kleinen Leute in den Provinzstädten. Eine weitere Botschaft der Nationalpopulisten ist: Wir sind die Vernünftigen. Auch wir wollen auch den Klimawandel eindämmen, dabei aber nicht übertreiben. Die dritte Botschaft sagt: Im Alltag soll alles so bleiben wie es war. Klimapolitik geht auch ohne Änderung der Konsumgewohnheiten. Neue Techniken werden es richten.

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Neu ist, dass die populistische Rechte sich überhaupt für Umwelt und Klima interessiert. Seit April arbeitet eine kleine Gruppe von zehn hochrangigen Beamten und Ingenieuren – darunter aber kein ausgewiesener Klimaexperte – an einem Leitfaden zur Umwelt- und Klimapolitik der RN. Nach den Sommerferien soll er fertig sein. Bislang fiel die nationale Rechte vor allem durch Verharmlosung der Klimakrise oder gar Leugnung des menschengemachten Klimawandels auf. Hier macht die Partei eine radikale Kehrtwende. Künftig soll die Leugnung des Klimawandels und seines menschlichen Ursprungs in öffentlichen Stellungnahmen von RN-Politikern und -Funktionären sogar untersagt werden. Frankreichs Nationalpopulisten gehen inzwischen davon aus, dass die Leugnung des Klimawandels, wie sie bislang von vielen RN-Mitgliedern und Sympathisanten propagiert wurde, die Wähler abstieß.

Wir sind die Vernüftigen

Gleichzeitig versucht die Partei als die Kraft aufzutreten, die die – ihrer Meinung nach übertriebenen – Einschätzungen von internationalen Gremien zurecht rückt. Und die Bürger vor der Klimapolitik einer globalisierten Elite schützt. Relativierung lautet das Gebot der Stunde. So sagte die langjährige Vorsitzende der Partei, Marine Le Pen, auf einer Rede zum 1. Mai: “Der Weltklimarat (IPPC) war stets sehr, sehr alarmistisch. Wenn man sich (dauernd) intensiv mit dem Klima befasst, neigt man dazu, etwas pessimistischer zu sein.” Tatsächlich gelten die Prognossen des IPCC eher als zurückhaltend und abgewogen.

Das ideologische Leitmotiv hinter der neuen rechtspopulistischen Umweltpolitik basiert auf zwei Schlüsselideen. Zum einen gibt es die Annahme: “Wir schaffen den Klimawandel”. Dazu bedürfe es jedoch keiner Verhaltensänderung. Ausschließlich neue Techniken – vor allem im Bereich der Kernkraft – sollen den Wandel bewirken. Zum anderen knüpft die neue Umweltpolitik an traditionelle rechte Phantasien an. Einer ländlichen Idylle steht das böse Gegenbild des Stadtlebens entgegen. Dazu heißt es in einem Öko-Papier der RN-Fraktion in der Nationalversammlung: Es gehe darum “den gesunden Menschenverstand des Landes, der Bauern, gegen die städtische Ideologie des Linksbürgertums” zu mobilisieren.

Böse urbane Elite gegen ehrliche Landleute

In der RN-Logik steht ein falsches Milieu, das des urbanen Bürgertums, einem realen, guten Milieu gegenüber, so wie es in der Jagd oder beim Fischen verkörpert wird. Der Historiker und Spezialist für die Soziologie des ländlichen Raumes, Pierre Cornu, sagt dazu der Tageszeitung Le Monde: “Es handelt sich um einen Agrarismus, der vom Libertarismus kontaminiert ist, um die Vorstellung, dass der ferne Staat und Brüssel nicht mehr das Recht haben, Regeln durchzusetzen, und dass die Umwelt ein Trojanisches Pferd ist, um eine normative und strafende Gesellschaft durchzusetzen.”

Neu sei das keinesfalls. Bereits im 19. Jahrhundert hätten der Schutz der Gewässer und der Wälder als bewaffente Agression des Staates gegolten. Der sogenannten Technokratie sei vorgeworfen worden, es auf die Bauern abgesehen zu haben. Die Auslassungen der RN-Europa-Abgeordneten Aurélia Beigneux in einer Rede zum Aktionsprogramm der Europäischen Union im März verdeutlichen diese Ideologie: “Diejenigen, die diese Verordnungen schreiben, wissen absolut nichts über die soziale und wirtschaftliche Realität unseres Kontinents. Ihre grüne Ideologie stammt aus internationalen Kongressen und Mittagsdebatten in europäischen Hauptstädten, nicht aus dem Dialog mit den wichtigsten Interessengruppen.”

Mehr: Le Monde

Lothar Schnitzler/Frankreich

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