Der E-Auto-Boom zerfetzt das alte Branchengefüge

Über Jahrzehnte teilten sich rund ein Dutzend Hersteller den Weltmarkt. Seit die Politik die Elektromobilität als Klimaretter ausgerufen hat, ist damit Schluß. Neue Akteure bedrängen die Etablierten. Mit dem US-Startup Rivian erwächst selbst Pionier Tesla harte Konkurrenz.

Elektro-Pickup R1T von Rivian Noch kein Auto verkauft, aber schon 27 Milliarden US-Dollar wert Foto: Rivian

Erst vor wenigen Tagen sammelte Rivian-Gründer RJ Scaringe erneut viel Geld bei Investoren ein – umgerechnet rund 2,2 Milliarden Euro. Die Kapitalspritze soll helfen, sein Werk im US-Bundesstaat Illinois, das er dem japanischen Hersteller Mitsubishi abgekauft hat, für den geplanten Produktionsstart zweier erster elektrischer Modelle im Sommer zu ertüchtigen: einem Pickup und einem SUV. Wenn ein Elektroauto-Startup den Anspruch erheben kann, das nächste Tesla zu werden, das ist das Rivian”, urteilt die New York Times.

Mächtige Investoren trauen genau das Scaringe zu. Mit an Bord sind BlackRock, Fidelity, T. Rowe Price und Amazon-Chef Jeff Bezos. Für ihn entwickelt Rivian einen Elektrotransporter. Ford plant auf Basis der Rivian-Technologie eigene Stromer zu produzieren und gehört ebenfalls zu den Finanziers. Experten taxieren den Marktwert des Neulings, der seinen Firmensitz in Plymouth im Bundesstaat Michigan hat, schon auf 27 Milliarden US-Dollar, und das, obwohl er noch nicht ein Fahrzeug verkauft hat.

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Scaringe hegt keinen Zweifel, das die bekannte Autowelt schon in wenigen Jahren auf den Kopf gestellt sein wird, E–Fahrzeuge Diesel und Benziner komplett verdrängt haben. “Einige bestehende Spieler werden den Übergang schaffen”, prognostiziert er. “Aber er schafft Platz für neue Unternehmen, sich zu etablieren.”

Der Umbruch ist längst in vollem Gang. Und neben den US-Herausforderern sind es vor allem chinesische Gründungen, denen sich VW, GM, Daimler, Renault & Co. erwehren müssen. Die Anbieter aus dem Reich der Mitte setzen auf ihre bewährte Strategie, über für Normalkäufer attraktive Preise schnell große Stückzahlen abzusetzen und so die Produktionskosten rasch zu senken. Modelle von XPeng etwa sind schon für umgerechnet 25 000 Euro zu haben. Rivian hingegen ruft zum Start Preise jenseits von 100 000 Dollar auf.

Aber auch mit überlegener Technik werben chinesische Produzenten um Kunden. Nio beispielsweise stellte jüngst sein neues Spitzenmodell eT7 vor. 1000 Kilometer sollen Käufer damit zurücklegen können, bevor die Batterie an die Ladesäule muss. Noch beackert das Unternehmen allein seinen Heimatmarkt, doch Experten erwarten, dass es schon bald auch in Europa angreift.

Der Schanghaier Autobauer um dem Gründer William Li ist erst seit sechs Jahren im Geschäft. Doch das Vertrauen der Anleger ist offenbar riesengroß. Nios Aktienkurs hat sich binnen eines Jahres mehr als verzehnfacht – trotz eines kurzzeitigen Rückschlags für chinesische E-Auto-Aktien an der Börse. Unübertroffen ist aber vor allem der Run auf Tesla-Aktien. Der Konzern von Gründer Elon Musk kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von sagenhaften 806 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Der VW-Wert dümpelt deutlich unter der 100-Milliarden-Euro-Marke.

Auch wenn die Zukunft elektrisch fährt. Noch ist im Rennen um die künftige Tabellenspitze in der Autoliga nicht aller Tage Abend, warnen Autoanalysten vor verfrühten Prognosen. Denn ein weiterer Trend könnte die Kräfteverhältnisse noch einmal durcheinander wirbeln: das autonome Fahren. Wer hier die Nase vorn haben wird, ist noch nicht wirklich abzusehen.

Klar aber ist schon. Auch hier wird mächtig investiert. Vor wenigen Tagen gab etwa Cruise, eine Einheit von GM, bekannt, dass Microsoft, Honda, der Mutterkonzern selbst und weitere Geldgeber zwei Milliarden Dollar für die Weiterentwicklung der Technik spendieren. Und auch Rivian and Tesla haben sie im Blick.

Mehr: NYT RND

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