Erneuerbare – Nordlichter zahlen, Bayern profitieren

Öko absurd: Norddeutschland liefert den meisten Ökostrom – und zahlt die höchsten Strompreise. Tatsächlich geht die erneuerbare Energie zum großen Teil gen Süden.

Überlandleitung für Erneuerbare Bayrische Nimbys und Feingeister stören sich an der Ästhetik (ceus-design.de)
Überlandleitung für Erneuerbare Bayrische Nimbys und Feingeister stören sich an der Ästhetik (ceus-design.de)

“Sollen’s doch die anderen.” Nach diesem Prinzip wird in Bayern seit Jahren Energiepolitik gemacht. Überlandleitungen sind nicht schön? Ok, in Bayern werden sie auf Kosten aller (bundesdeutschen) Stromkunden unterirdisch verlegt. Auch wenn’s zehnmal so teuer ist. Denn Bayerns Regierung will den ästhetischen Feingeistern im Lande den Anblick nicht zumuten. Windräder sind hässlich? Braucht Bayern also nicht. Per prohibitiver Abstandsregel wurde der Zubau verhindert. Im zweitgrößten Bundesland wurden im Jahre 2021 ganze acht Windanlagen gebaut – von 484 in Deutschland. Greenspotting berichtete darüber. Keine Frage: Erneuerbare haben es schwer in Bayern.

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Zusätzlich kassieren die Bayern bei den Netzentgelten. Diese Entgelte zahlen die Verbraucher für den Ausbau der Stromnetze und den Anschluss von Wind- oder Solaranlagen. Vor allem die Überlandtrassen gehen ins Geld, weil die Windanlagen vor allem im windigen Norden stehen und der Strom über 700 Kilometer in den Süden geführt werden muss. Im vergangenen Jahr sind die Netzentgelte teilweise bis zu 40 Prozent gestiegen. Doch zahlen müssen vor allem die Norddeutschen, die anders als die Bayern-Nimbys (Not in my back yard!) den Anblich von Windrädern und Überlandleitungen brav erdulden.

Die öko-freundlichen Nordlichter sind die Dummen

Denn die traurige Regel lautet: Überall, wo die erneuerbaren Energien tatkräftig ausgebaut wurden, steigen die Netzentgelte. Mancherorts mehr, mancherorts weniger. Anders formuliert: Je mehr Windräder in einem Bundesland aufgestellt werden, desto teurer wird es für die Einwohner. Dass der nachhaltige Strom in andere Regionen, in der Regel gen Süden, exportiert und verbraucht wird, tut dem keinen Abbruch.

Laut Monitoringbericht der Bundesnetzagentur schlägt sich dies in den Tarifen für Haushaltskunden drastisch nieder. So betragen die Netzentgelte im windradreichen Schleswig-Holstein 9,79 Cent pro Kilowattstunde. Im windradfeindlichen Bayern hingegen nur 6,85 Cent. Von der ungerechten Tarifgestaltung profitieren aber auch nördliche Stadtstaaten, auf derem engen Territorium naturgemäß kaum Windstrom erzeugt wird. So beträgt das Netzentgelt in Bremen nur 5,85 Cent pro Kilowattstunde. In Berlin beläuft es sich auf 6,49 Cent.

Im reichen Bayern lässt man gern die anderen zahlen

Dabei handelt es sich keineswegs um Kleckerbeträge. Denn die Netzentgelte machen etwa ein Viertel des Strompreises aus. Bei einem Jahresverbrauch von 5 000 Kilowattstunden zahlt beispielsweise ein Vier-Personen-Haushalt in Ländern mit reichlich Windanlagen wie Brandenburg 588 Euro an Netzentgelten. In Schlewig-Holstein sind es 587 Euro und in Mecklenburg-Vorpommern 558 Euro. Im windradfeindlichen Bayern muss ein vergleichbarer Haushalt hingegen nur 385 Euro zahlen.

Politiker aus den Nordstaaten sind daher nicht länger bereit, sich von den reichen Bundesländern des Südens, allen voran Bayern, ausbeuten zu lassen. “Für mich ist es ärgerlich, dass wir für den Ausbau der Erneuerbaren Energien die Zeche zahlen müssen, indem wir eben die Stromnetze hier selbst zahlen müssen, obwohl die dazu dienen, dass ganz Deutschland mit erneuerbaren Energien versorgt wird“, sagte Tobias Goldschmidt, Schleswig-Holsteins Minister für Energiewende (Grüne), kürzlich Journalisten des Norddeutschen Rundfunks.

Auch der Bundeskanzler will Reform

Sein Kollege, der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Grüne), sieht das ähnlich. “Es kann nicht akzeptabel sein, dass wir bestraft werden, weil wir Solar- und Windenergieanlagen integrieren. Das ist einfach nicht fair”, sagte er der Presse-Agentur dpa.

Tröstlich: Inzwischen liegt dem Bundestag ein Gesetzentwurf zur Einführung fairer Netzgentgelte vor. Falls er durchkommt, kann die Bundesnetzagentur ein Tarifwerk mit gerechten Preise entwerfen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich für eine Reform der Netzentgelte ausgesprochen. Zu erwarten ist allerdings, dass die Südstaaten – Bayern voran – sich querlegen. Sie werden wohl einiges dafür tun, das Gesetz zu verschleppen und zu verwässern.

Mehr: Kreiszeitung

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