Ein Schneesturm und Eiseskälte ließen das Leben in Teilen des Landes erstarren. Nun streiten Experten und Kommentatoren, welche Rolle die Erderwärmung dabei spielte.

Verkehrschaos, Zehntausende Flugausfälle, horrende Schäden und mindestens 50 Tote: Das bescherte Schneesturm “Elliott” Hunderttausenden US-Bürgern über die Weihnachtstage. Rund um die Großen Seen im Nordosten des Landes türmte sich der Schnee bis zu drei Metern hoch. Die Temperaturen sackten mancherorts auf rekordverdächtige minus 40 Grad Celsius und darunter.
Schneesturm bis zum gefürchteten Whiteout
Es sei gewesen, als hätte sich der Nordpol in die USA verirrt, beschreiben Bewohner die extremen Verhältnisse (siehe auch Video weiter unten). Immer wieder trieben heftige Böen die Schneeflocken so vor sich her, dass Autofahrer in dem dichten Gestöber die Orientierung verloren, die gefürchteten Whiteouts. Es kam zu zahlreichen Massenunfällen.
Nachdem das Schlimmste nun ausgestanden ist, entbrennt eine hitzige Diskussion. War “Elliott” ein seltenes, dieses Mal besonders heftig ausgefallenes Jahrhundert-Wetterphänomen, das immer mal vorkommen kann? Oder steckt die vom Menschen verursachte Erderhitzung dahinter?
Wie passen steigende Wintertemperaturen und Rekordkälte zusammen?
Dass steigende Durchschnittstemperaturen Hitzeperioden, Hurrikans und Dürren befeuern, erscheint selbst dem Laien plausibel. Auch in der Wissenschaft besteht weitgehend Konsens, dass der Klimawandel Stärke und Häufigkeit von Extremwettern begünstigt. Verbunden mit Rekordschäden wie vergangenen Sommer beispielsweise bei der Jahrhundertflut an Ahr und Erft. Es werde noch schlimmere Katastrophen geben, prophezeit der deutsche Klimaforscher Mojib Latif.
Aber wie passen steigende Wintertemperaturen von im Durchschnitt zwei Grad Celsius über die vergangenen 50 Jahre in Nordamerika zu Rekordkälte und Rekordschneemassen von “Elliott”? Hier ist der Zusammenhang weit weniger offensichtlich und klar.
Der Einfluss der sich erwärmenden Großen Seen
Zumindest für den Schneefall liefert Michael Mann von der University of Pennsylvania, einer der weltweit führenden Klimaforscher, eine wissenschaftlich fundierte Erklärung. Das Wasser in den Großen Seen nordwestlich vom Bundesstaat New York erwärmt sich während der Sommermonate weit stärker als früher. Der Effekt: Die Luft darüber enthält mehr Feuchtigkeit. Streicht nun im Winter kalte Polarluft aus der Arktis darüber, nimmt sie die Feuchtigkeit in Form großer Mengen an Schnee mit. “Dieser Zusammenhang ist stark und robust”, sagt Mann.
Schwächelnde Polarwirbel entwickeln sich zu Wetterbomben
Weit komplexer und weniger gut verstanden ist, was sich im Inneren des Polarwirbels über der Arktis abspielt. Im Normalfall rotiert er weitgehend stabil in der Stratosphäre zwölf Kilometer über den Erdoberfläche. Ein Luftband schirmt den Wirbel gegen die wärmere Luft weiter südlich ab.
Schwächelt der Pfropf jedoch, dringt die extreme Kälte in die untere Etage der Erdatmosphäre, die Troposphäre. Der Jetstream trägt sie gen Süden, wo sie sich zu einer Wetterbombe vom Kaliber eines “Elliotts” entwickeln kann. Häufig betroffen: der Osten der USA.
“Wir müssen nicht jedes Naturextrem der menschlichen Arroganz
Ross Clark, Kommentator The Spectator
und Dummheit in die Schuhe schieben”
Eine Studie aus dem Jahr 2021 belegt, dass der Polarwirbel zuletzt zwar häufiger ausfranste. Doch die Gründe dafür sind weniger klar.
Klimamodelle noch nicht genau genug
Eine Erklärung liefert der Leitautor der Studie Judah Cohen. Er führt das Phänomen auf die dahin schmilzenden Eisschilde am Nordpol zurück, verbunden mit ergiebigeren Schneefällen in Sibirien. Sein Kollege Mann hält hingegen weitere Forschung vor einer endgültigen Festlegung für notwendig. “Unsere Klimamodelle bilden die komplexen physikalischen Abläufe noch nicht exakt genug ab.”
Warnung vor voreiligen Schlussfolgerungen
Da hakt Ross Clark ein, Kommentator beim britischen Politik-Magazin The Spectator. Er warnt vor voreiligen Schlussfolgerungen und dem seiner Meinung nach schon fast “zwanghaften Drang”, jedes Naturextrem dem Klimawandel in die Schuhe schieben zu wollen. Verbunden mit dem moralischen Zeigefinger, der Mensch würde mit seiner Arroganz und Dummheit sein eigenes Nest verschmutzen.
“Warum kann es nicht einfach mal eine außergewöhnliche Wetterlage gewesen sein?”, fragt Clark provokant.
Mehr: weather.com nytimes france24 Spectator
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