Fairer Deal: Schuldenerlass gegen Klimaschutz

Wegen tiefroter Staatskassen fehlen vielen Ländern des globalen Südens die Mittel, sich gegen die Erderhitzung zu wappnen. Ein neuer Ansatz verspricht Rettung: Schuldenerlass gegen Klimaschutz.

Verkaufsstand auf den Kapverden: Ein Schuldenerlass gegen Klimaschutz wäre ein fairer Ausgleich zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen
Verkaufsstand auf den Kapverden Ein Schuldenerlass gegen Klimaschutz hilft Entwicklungsländern wie Industrienationen
Bild: Dieter Dürand

Als erstes europäisches Land geht nach einem Bericht des “Spiegel” Portugal einen solchen Deal zum gegenseitigen Nutzen ein: Schuldenerlass gegen Klimaschutz. Mit seiner ehemaligen Kolonie Kap Verde, im Atlantik vor der Küste Senegals gelegen. Das Anfang September besiegelte Abkommen sieht vor, dass die Lissaboner Regierung dem afrikanischen Inselstaat in Tranchen 140 Millionen Euro Schulden streicht. Im Gegenzug verpflichtet sich das Entwicklungsland, das Geld in gleichem Umfang in einen Klimafonds zu investieren.

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Win-Win: Schuldenerlass gegen Klimaschutz

Mit ihm wollen die Kapverden unter anderem Meereswasser-Entsalzungsanlagen für die Bewässerung von Feldern, künstliche Riffe zur Erholung des Fischbestands sowie Solar- und Windkraftanlagen finanzieren.

Die Investitionen würden die drastischen Auswirkungen der Erderwärmung mildern, die das Archipel in vielerlei Gestalt hart treffen: Trockenheit, Extremwetter, ansteigender Meeresspiegel, Versauerung des Atlantiks. Sie lässt Korallen absterben und zerstört so Laichgründe.

Erderhitzung trifft ärmste Länder am härtesten

Der argentinische Umweltaktivist Esteban Servat, Gründer der Initiative “Debt for Climate”, hält ein solches Entgegenkommen, wie Portugal es jetzt praktiziert, für überfällig. Der globale Norden löse damit nur seine Klimaschulden beim globalen Süden ein, sagt er. Tatsächlich tragen Länder wie die Kapverden praktisch keine Emissionen zum Temperaturanstieg auf der Erde bei, leiden aber besonders darunter, ebenso wie unter dem westlichen Konsumverhalten.

Servat weiß bei seiner Analyse das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) auf seiner Seite. Sein Chef, der Deutsche Achim Steiner, warnt: “Ohne Handeln wird nicht nur die Armut weiter um sich greifen. Auch die dringend benötigten Investitionen in die Anpassung an den Klimawandel und seine Abschwächung bleiben aus.”

“Ein Schuldenerlass ist für die reichsten Nationen eine leicht zu schluckende Pille”

Achim Steiner, Chef des UN-Entwicklungsprogramms

Zahlen untermauern die Dramatik. Von den 50 am stärksten von der Erderhitzung betroffenen Ländern, berichtet Steiner, kämpften 28 mit einer enormen Verschuldung. Deren Handlungsfähigkeit tendiert dadurch gegen Null. Dagegen sei ein Schuldenerlass für die reichsten Nationen “eine leicht zu schluckende Pille”, findet Steiner.

Auch die Sozial- und Gesundheitsbudgets schrumpfen

Ohne ein Einlenken der wohlhabenden Industrieländer drohen immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer in einem Schuldenstrudel hoffnungslos zu versinken. Das zeigt ein Report des katholischen Hilfswerks Misereor aus dem vergangenen Jahr.

Demnach sind inzwischen 135 Länder des globalen Südens “kritisch verschuldet” – mehr als je zuvor (siehe Grafik unten). Sie haben kaum Mittel gegen den Klimawandel. Überdies sind sie gezwungen, ihre ohnehin spärlichen Sozial- und Gesundheitsbudgets noch weiter einzudampfen. Die bisher ergriffenen Maßnahmen der wirtschaftsstarken G20-Staaten hätten an dem desaströsen Zustand nichts verbessert, kritisiert Misereor.

Die Grafik zeigt den Anteil kritisch verschuldeter Länder nach Weltregionen
Immer mehr Länder des globalen Südens stecken in der Schuldenfalle
Quelle: Misereor

Doch bisher zeigen die Industrieländer sich deckfellig. Noch hat keine weitere Regierung angekündigt, dem Beispiel Portugals zu folgen.

Entwicklungsländer um eine Viertel Billion Dollar geprellt

Dabei hätten der reiche Westen einiges gut zu machen. Zum Beispiel ein gebrochenes Versprechen. Vor nunmehr 14 Jahren auf dem Weltklimagipfel im dänischen Kopenhagen sagten die Industrienationen den Entwicklungsländern zu, ihnen von 2020 an jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz zu überweisen. Statt 300 Milliarden seither, flossen jedoch nur 80 Milliarden Dollar – also nicht einmal ein Drittel der zugesagten Summe. Um den Rest haben sie die Habenichtse schnöde geprellt.

UN-Generalsekretär António Guterres ist das alles zu wenig. Auf einem gerade beendeten Gipfeltreffen der unterentwickelsten Länder in Doha fordert er von den reichsten Ländern zusätzliche Hilfen von 500 Milliarden US-Dollar. Begründung: Sonst fänden sie nie aus dem Teufelskreis von hohen Zinsen, extremer Verschuldung und fehlenden Ressourcen zur Entwicklung hinaus.

Mehr: Spiegel taz UN

Dieter Dürand

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