Arme Länder sollen den Regenwald schützen und Arten erhalten, belehren die Deutschen gerne. Doch ihnen selbst ist die Planetenrettung oft piepegal. Etwa wenn es um nachhaltige Mode geht.
Da können sich ökobewusste Textilpioniere wie das Kölner Startup Erlich Textil noch so für nachhaltige Mode ins Zeug legen. Wenn es zum Einkaufsschwur kommt, greifen die angeblich so umweltsensiblen Bundesbürger doch lieber zu Billigware bei Blusen, T-Shirts und Hosen. Wie auch die Nachbarn in Österreich und der Schweiz.
Nachhaltige Mode abgeschlagen auf Platz fünf
Das zeigt eine gerade veröffentlichte repräsentative Umfrage der Beratung Simon, Kucher & Partners. Ihr zufolge begeistern sich fast Zweidrittel aller Befragten allenfalls dann für nachhaltige Mode, wenn sie nicht mehr kostet als die oft minderwertig produzierten Kollektionen von Ketten wie Zara und H&M. Als Kaufkriterium landet Nachhaltigkeit abgeschlagen auf Platz fünf.
Ein paar Mal getragen füllt die Ramschware Scharen an Kleidercontainern. Fast die Hälfte der aussortierten Stücke überflutet tonnenweise afrikanische Länder (siehe auch Video weiter unten). In der ghanaischen Hauptstadt Accra, wo sich im Stadteil Katamanto der größte Textil-Secondhandmarkt der Welt befindet, kommen nach Schätzungen pro Woche 15 Millionen ausrangierte Klamotten an.
Verseuchte Böden und Flüsse
Die Aufarbeitung für den Weiterverkauf ist zunehmend schwierig, weil die Fast Fashion immer öfter aus Kunstfasern und Mischgewebe besteht. Die Folge: Die Lumpen landen auf wilden Müllkippen. Sie verseuchen dort die Böden, das Wasser eines Flusses und die Mündung ins Meer. Bewohner büßen den Secondhand-Alptraum mit Hautausschlägen, Vergiftungen und Infektionen. Im Fluss schwimmen keine Fische mehr wie früher.
“Furchtbar, einfach nur furchtbar!”, entfährt es Bundesumweltministerin Svenja Schulze beim Anblick der Müllkippen während eines jüngsten Arbeitsbesuchs in Accra entsetzt. Als Gegenstrategie schlägt sie vor, künftig gesetzlich zu regulieren, welche Textilien als wiederverwertbar gelten und welche schlicht Müll sind. Die müssten gleich in Europa entsorgt werden, fordert Schulze.
Handeln sollen lieber die anderen
Der hemmungslose Müllexport ist dabei nur ein Beispiel aus jüngster Zeit dafür, wie Deutschland und Europa die Rettung des Planeten gerne anderen, meist weniger wohlhabenden Ländern aufbürden, statt selbst zu handeln. Und dafür womöglich Abstriche an lieben Gewohnheiten in Kauf zu nehmen.
Die Elfenbeinküste solle nachhaltig bewirtschaftete Kakaoplantagen anlegen, statt kostbaren Regenwald für den Anbau abzuholzen, drängte Ministerin Schulze auf ihrer weiteren Reise durch Afrika. Und drohte mit einem Importverbot für Früchte von gerodeten Wäldern.
Klar ist, dass Regenwälder eine wichtige CO2-Senke gegen die Erderhitzung sind. Aber Europa ist selbst der zweitgrößte Waldzerstörer auf Erden.
Zeit für ein Tempolimit? Denkste!
Deutschland wiederum leistet sich weiterhin den Frevel, als fast einziges Land weltweit darauf zu verzichten, mit einem Tempolimit seinen Klimazielen näher zu kommen. Tempo 120 reduzierte die in CO2-Äquivalente umgerechnete Belastung der Atmosphäre um jährlich 2,6 Millionen Tonnen, rechnet das Umweltbundesamt (UBA) jüngst vor.
Zeit zum Umdenken. Denkste! Lieber gibt der notorische Klimaschutz-Verhinderer, Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP, ein Gegengutachten in Auftrag, das zum bestellten Ergebnis kommt. Es wirft dem UBA “Irreführung” vor. Tatsächlich falle der Effekt sechsmal kleiner aus, heißt es darin.
Keine Prämie, kein E-Auto
Kaum kürzt der Staat seine üppigen Kaufprämien für Elektroautos, brechen die Absatzzahlen ein. Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Umweltbegeisterung schnell nachlässt, wenn es an den Geldbeutel geht. Da können die Meldungen über viel zu wenig Schnee in den Alpen und eine bedrohliche Trockenheit in Italien und Frankreich noch so dramatisch ausfallen.
Dann doch lieber mit dem Finger auf die Klimasünder in Afrika, Brasilien, China und anderswo zeigen.
Mehr: presseportal SZ Umweltbundesamt Focus Welt
Hinterlasse jetzt einen Kommentar