Dürren? Weit weg. Denken die meisten Deutschen. Ein Irrtum: Der Klimawandel macht Wasser auch hier zum knappen Gut. Streit darum landet immer öfters vor Gericht.
Der Landkreis Böblingen bei Stuttgart ist offiziell Wassermangelgebiet. Vor allem kleine und mittlere Bäche führen wieder einmal wenig des kühlenden Nass. Das hat ganz praktische Folgen. Das Landratsamt verbietet Landwirten und Kleingärtnern bis Ende September, Wasser daraus zu schöpfen. Bei Verstößen drohen saftige Bußgelder.
Das Verbot illustriert eine neue Entwicklung. Lange galt Deutschland als wasserreich. Jeder konnte munter so viel entnehmen, wie er wollte und bezahlen konnte.
Die Wasser-Reserven schrumpfen bedenklich
Die unbeschwerten Zeiten sind vorbei. Der Klimawandel droht das Land auszutrocknen. In den vergangenen Jahren ging so viel Wasser verloren, wie der Bodensee fasst. Nur in wenigen anderen Weltregionen schrumpfen die Reserven ähnlich rasch. Schon warnt der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, vor akuter Wasserknappheit.
Der Kampf ums knapper werdende Gut schürt allerorten Konflikte. In ganz neuem Ausmaß. Das deckte jetzt das Recherchenetzwerk “Correctiv” in einer umfangreichen Reportage auf.
Tesla first – die Bürger müssen zurückstehen
Beispielhaft dafür steht die Gigafactory des US-Milliardärs Elon Musk im brandenburgischen Grünheide vor den Toren Berlins. Die Großproduktion seiner Tesla-E-Autos verschlingt Unmengen an Grundwasser. Da müssen zuziehende Arbeitskräfte eben zurückstehen. Der Wasserverband Stausberg deckelt den Verbrauch der Neubürger auf 105 Liter täglich pro Person. Alteingesessene zapfen im bisherigen Durchschnitt 175 Liter.
Untätige Politik
Die Politik, so macht die Reportage deutlich, kümmert sich bisher kaum um Lösungen gegen die sich abzeichnende Wasserkrise. Ungeklärt sei zum Beispiel die Frage, wer zurückstecken muss, wenn das Wasser nicht für alle reicht: die Industrie bei der Produktion, die Landwirtschaft, die Umwelt oder die Bürger.
So wird der Streit um die kostbare Ressource immer öfters vor Gericht ausgetragen, fanden die Autoren heraus. In Bayern und Baden-Württemberg verdoppelte sich die Zahl der Prozesse in den vergangenen zehn Jahren in etwa.
Landwirte kontra Hamburg, Naturschützer gegen Hessen
Doch auch in anderen Ländern klagen Betroffene ihr vermeintliches Recht ein. Zwei Beispiele: In Niedersachsen wehren sich Landwirte dagegen, dass das benachbarte Hamburg immer mehr Wasser aus der Lüneburger Heide abpumpt, um die wachsende Zahl der Einwohner zu versorgen. Die Bauern sorgen sich, dass sie ihre Felder nicht mehr ausreichend bewässern können.
In Hessen zieht ein Naturschutzverband in zwei Verfahren gegen das Land vor Gericht. Die Umweltschützer werfen örtlichen Trinkwasserversorgern vor, den Wäldern zu viel Wasser zu entziehen, so dass viele Bäume absterben.
Nur Unkonkretes in der nationalen Wasserstrategie
Die neue Ampelkoalition fand bisher nicht die Kraft, eine schlüssige Strategie gegen den absehbaren Mangel zu entwickeln. Zwar liegt ein erster Gesetzesentwurf vor, vorgestellt noch von der alten Bundesregierung. Doch die Umsetzung dauere zu lange, verlautet aus dem Bundesumweltministerium. Und es fehle an konkreten Maßnahmen. Druck von Ministerin Steffi Lemke (Grüne) auf ihre Koalitionspartner würde womöglich helfen.
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