Carsharing – Abgesang auf ein Hoffnungsmodell

Autos ausleihen und teilen statt zu besitzen, galt als umweltschonender Megatrend. Doch dem Hype ums Carsharing folgt nun Ernüchterung.

Small Talk vor einem Carsharing-Auto: Das vermeintliche Zukunftsmodell steht unter Druck
Autos gemeinsam nutzen Große Carsharing-Anbieter steigen aus (Bild: BMW)

Generation Greta fahre gern und viel Auto, schreibt der “Spiegel” mit üblicher Häme in Anspielung auf die schwedische Klima-Ikone mit Nachname Thunberg. Und auch bei RTL kommen die jungen Weltenretter nicht gut weg. “Klimaaktivisten fahren mit Auto zur Anti-Auto-Demo – aus Bequemlichkeit”, titelte jüngst die Nachrichten-Redaktion des Kölner TV-Senders. Waren Carsharing und der Verzicht auf den eigenen fahrbaren Untersatz also nur kurzlebige Trends unter der Jugend?

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Carsharing-Markt sortiert sich neu

Ein Blick auf die aktuellen Zulassungszahlen bestätigt die Annahme anscheinend. Am Ende dieses Jahres werden laut Kraftfahrtbundesamt fast 49 Millionen Pkw Deutschlands Straßen verstopfen – rund 7,6 Millionen mehr als 2008. Die Entwicklung spricht nicht dafür, dass die 18- bis 30-Jährigen in Scharen dem eigenen Mobil abschwören. Damit schwindet zudem die Hoffnung, mit dem Generationenwechsel würden die Probleme rund um die automobile Mobilität weniger werden: Emissionen, zugeparkte Städte, Staus.

Auch eine gerade vorgestellte Studie des Centers of Automotive Management (CAM) aus Bergisch Gladbach bei Köln verstärkt die Ernüchterung. Dessen Leiter Stefan Bratzel drückt sie so aus: “Der Hype rund um integrierte Mobilitätsdienstleistungen ist verflogen.” Das Auto bleibt der Deutschen Liebling.

Mercedes, BMW und VW sind ausgestiegen

Die Zurückhaltung der Kundschaft setzt die Carsharing-Branche mächtig unter Druck. Als der Trend aufkam, wollte ihn kein Großer der Automobilindustrie verpassen. Ob Mercedes, BMW oder VW – alle drängten von 2011 an mit eigenen Angeboten und Flotten (Car2go, Drive now, WeShare) in den Markt. Autos verkaufen galt fast schon als Nebengeschäft. Das große Geld wollten die Konzernmanager künftig vielmehr mit allerlei Mobilitätsdienstleistungen verdienen.

“Es ist nur wenigen Akteuren gelungen, ein profitables Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen”

Stefan Bratzel, Automobilexperte

Der Traum sei geplatzt, “jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit”, konstatiert Bratzel. Das genannte Trio beispielweise schraubte sein Engagement sukzessive zurück. Mercedes und BMW verabschiedeten sich vergangenes Jahr mit dem Verkauf ihrer Gemeinschaftsfirma ShareNow an Stellantis (Opel, Peugeot, Fiat Chrysler) ebenso vom Carsharing wie Volkswagen. Die Wolfsburger verkauften ihr WeShare an Miles Mobility, neben ShareNow/Free2move derzeit dominanter Akteur in dem Markt. Der Rückzug spiegelt sich in einem drastischen Verlust an Servicestärke im Carsharing-Segment wider, zeigt die CAM-Studie (siehe Grafik unten).

Die Grafik gibt Auskunft über die Servicestärke von Automobilherstellern im Carsharing-Geschäft
Geplatzter Traum Deutsche Tophersteller ziehen sich vom Carsharing-Markt zurück Quelle: CAM

“Es ist nur wenigen Akteuren gelungen, ein profitables Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen”, resümiert Bratzel. Selbst der Berliner Marktführer Miles, 2016 gegründet, schafft es nach eigenen Angaben erst 2021 in die Gewinnzone. Auch vergangenes Jahr blieb nur ein kleines Plus.

Carsharing-Verband ist weiter optimistisch

Doch hat das Auto-Teilen seine besten Tage wirklich schon gesehen? Wo doch bereits die Große Koalition aus CDU und SPD unter Kanzlerin Angela Merkel 2015 beschloss, Carsharing zu fördern. Und das regierende Ampel-Dreierbündnis dieses Ziel in seinem Koalitionsvertrag bekräftigte. Seither die Verkehrswende aber allenfalls halbherzig vorantreibt.

Der Bundesverband Carsharing (BCS) widerspricht der Kölner CAM-Analyse denn auch vehement. Er legt Zahlen vor, die besagen, dass sowohl die Zahl der Fahrzeuge als auch die der Kunden weiter wächst (siehe Grafik unten). So könnten die rund 4,5 Millionen bundesweit angemeldeten Nutzer in 1082 Städten und Gemeinden zwischen fast 34 000 Autos wählen.

Die Grafik zeigt, dass die Zahl der Carsharing-Fahrzeuge und der Nutzer ungebrochen wächst
Idee nicht tot Die Zahl von Carsharing-Nutzer und -Fahrzeugen wächst Quelle/Grafik: BCS

BCS-Geschäftsführer Gunnar Nehrke sieht die Branche daher weiter im Aufwind. Die Mehrzahl der Anbieter sei wirtschaftlich gesund und baue das Angebot kontinuierlich aus, behauptet er und sieht kein Ende der Teile-Idee herauf ziehen.

Autos zu teilen, kommt massiv dem Klima zugute

Dem Klima wäre es zu wünschen. Das unterfüttert eine Studie des Umweltbundesamts (UBA). Deren Experten haben eine Modellrechnung aufgestellt, nach der eine Reduzierung des Autobestands durch Carsharing jährlich bis zu 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgasen einsparen würde. Zudem bringe Carsharing “neue Freiheiten” bei der Wahl der Verkehsmitteln, betont das UBA.

Doch der Klimaeffekt stellt sich natürlich nur ein, wenn die Pkw-Dichte wie unterstellt durch die gemeinsame Nutzung tatsächlich abnimmt. Davon ist allerdings bisher nichts zu sehen. Schönen Gruß an die Generation Greta.

Mehr: Auto-Institut Klimareporter

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