Geisterfahrt: Müssen Verkehrsminister Dilettanten sein?

Mit fadenscheinigen Argumenten wendet sich der aktuelle Verkehrsminister erneut gegen ein Tempolimit. Schon seine Vorgänger gingen auf Geisterfahrt.

Gleisneubau bei der Bahn: Zur Geisterfahrt der Verkehrsminister gehört der Vorrang fürs Auto
Erneuerung einer Bahnstrecke Das Auto ist unantastbar Bild: Pixabay

Bereits Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer von der CSU verstanden unter Mobilitätswende vor allem eines: Alles Wohl dem Auto – die Umwelt kann warten. Der aktuelle FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing knüpft nahtlos an diese Haltung an. Aktuelles Beispiel: Obwohl längst eine Mehrheit der Bürger einträchtig mit dem ADAC Tempolimits befürwortet, um den Verkehrsfluss und die Sicherheit zu erhöhen sowie dem Klima zu helfen, bekräftigt der Liberale trotzig sein Nein. Und beruft sich dabei auf den gefühlten Volkswille – allen Umfragen zum Trotz. Mehr Geisterfahrt geht kaum.

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Verhängnisvolle Geisterfahrt in der Verkehrspolitik

“Das wollen die Leute nicht”, behauptet Wissing dreist entgegen der Fakten. Und wischt zugleich Berechnungen des Umweltbundesamts zur Seite. Demnach würde Tempo 120 die CO2-Emissionen auf einen Schlag um 6,7 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren – mehr als das Doppelte aller innerdeutscher Flüge. Was stört es da, dass sich die Erde immer schneller erwärmt. Beispielsweise erlebte Nordrhein-Westfalen mit einer Durchschnittstemparatur von 8,3 Grad Celsius den mildesten März seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

“Ein Tempolimit wollen die Leute nicht.”

Volker Wissing, Bundesverkehrsminister

Dabei reißt kein Ministerium die selbst gesteckten Klimaziele der Bundesregierung ähnlich eklatant wie das für den Verkehr zuständige. Steuert Wissing nicht endlich gegen, klafft bei 2030 eine Lücke von 187 Millionen Tonnen Klimagasen, umgerechnet in CO2-Äquivalente. Der Expertenrat für Klimafragen wirft dem Minister daher unverblümt “Taten- und Konzeptlosigkeit” vor. Wissing stellt sich taub und kaschiert sein Versagen lieber mit Angriffen gegen Klimaktivisten. “Was die letzte Generation betreibt, ist kriminell.”

Vom Bahn-Kollaps bis zum Maut-Desaster

Es wiederholt sich ein mindestens seit dem Amtsantritt Dobrindts 2013 bekanntes Muster. Vorfahrt im Bundesverkehrswegeplan für den Straßenbau. Die Bahn wird totgespart und ist inzwischen ein Sanierungsfall. Statt weniger verstopfen immer längere Lkw-Kolonnen die Straßen, die Verlagerung von Gütern auf die Schiene kommt nicht voran. Der Ausbau der Elektromobilität tritt mehr oder weniger auf der Stelle. Die Abgasbelastung in der Städten ist hoch wie eh und je.

“Vier Jahre Geisterfahrt”, kommentierte der Berliner Tagesspiegel Dobrindts Bilanz. Unter seinem Nachfolger Scheuer folgten fast vier Jahre weiterer Geisterfahrt. Auch der in der CSU “Andi” gerufene entpuppte sich als Totalausfall. Negativer Höhepunkt war das Debakel um die Pkw-Maut, die Scheuer entgegen aller Warnungen der rechtlichen Unzulässigkeit durchsetzen wollte. Die Steuerzahler büßen das Desaster mit 243 Millionen Euro an fälligem Schadensersatz für die vorgesehenen Mautbetreiber.

Geld für Klimamaßnahmen hätte Wissing genug

Vor wenigen Tagen, am 1. April, endete die von Negativschlagzeilen gespickte politische Karriere von “Andi” vorzeitig. Scheuer legte sein Bundestagsmandat nieder.

Unter Wissing feiert der Dilettantismus – siehe Tempolimit – fröhliche Urstände. Was die Frage aufdrängt: Gehört er zum Einstellungsprofil von Bundesverkehrsministern?

Dabei könnte der FDP-Mann einiges für Klima und Umwelt bewirken. Denn mit 44 Milliarden Euro stehen ihm weitaus mehr Mittel zur Verfügung als etwa seinen grünen Kabinettskollegen Klimaminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke. Sie kommen zusammen gerade einmal auf 13,4 Milliarden Euro.

Geisterfahrt feiert fröhliche Urstände

Doch Wissing streicht weder umweltschädliche Subventionen wie Diesel-Steuervorteile und Dienstwagen-Privileg, noch bremst er beim Straßenbau. Für den stellt er diese Jahr knapp 20 Milliarden bereit. Dagegen muss die Bahn zusehen, wie sie mit rund 4,4 Milliarden Zuschüssen vom Bund ihre marode Infrastruktur ertüchtigt. Für Radwege bleiben nurmehr 148 Millionen Euro übrig – 45 Millionen weniger als im Vorjahr. Lieber kämpft der Freidemokrat gegen das geplante Verbrenner-Aus in der EU und für vermeintlich klimaneutrale E-Fuels. Die Geisterfahrt geht weiter.

Mehr: riffreporter heise Tagesspiegel

Dieter Dürand

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