Wetterextreme: Wer nicht hören will, kriegt nasse Füße

Hochwasser beuteln Deutschland. Doch je häufiger Wetterextreme auftreten, desto unwichtiger wird den Wählern Klimaschutz. Wie kann das sein?

Überflutetes Donauufer: Die Wetterextreme nehmen zu, doch Klimaschutz wird offenbar unwichtiger
Hochwasser an der Donau Ein Jahr der Wetterextreme – weltweit Bild: Pixabay

Kanzler Olaf Scholz kommt aus Gummistiefel und Regenjacke kaum mehr heraus. Schon zum vierten Mal dieses Jahr stapft er duch ein Hochwassergebiet und versichert den Betroffenen die Solidarität der Bundesregierung. Vor aktuell Bayern blickte er in Bremen, Niedersachsen, Thüringen und dem Saarland in verzweifelte Gesichter. Wetterextreme in Form von Stürmen und Starkregen vernichten Hab und Gut, zerstören Dämme, unterspülen Gleise und Straßen, kosten Menschenleben. In diesem Ausmaß und dieser Häufung hat es solche Katastrophen nie zuvor gegeben.

Wetterextreme sind Folge der rasanten Erderwärmung

Merkwürdig nur: Je heftiger die Auswirkungen der Erderwärmung zuschlagen, desto unwichtiger wird den Deutschen offenbar der Klimaschutz. Das jedenfalls geht aus dem jüngsten Deutschlandtrend der ARD zur Europawahl hervor. War Klimaschutz noch 2019 das beherrschende Thema, sorgen sich inzwischen mehr Menschen um Frieden, soziale Sicherheit und Zuwanderung. Nurmehr 14 Prozent verbinden ihre Wahlentscheidung mit dem Kampf gegen den rasanten Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur.

Was steckt dahinter: Verdrängung, Verzweiflung, Resignation? Jedenfalls richtet sich die Wut vieler Flutbürger immer noch eher gegen Klimakleber als gegen eine Partei wie die FDP, die sofort wirksame und kostenlose Maßnahmen wie ein Tempolimit aus ideologischen Gründen weiterhin stur ablehnt. Mögen die Alarmglocken noch so schrillen.

1,5-Grad-Schwelle so gut wie erreicht

Dabei hat die Erderhitzung die gerade noch als erträglich definierte 1,5-Grad-Celsius-Schwelle vergangenes Jahr laut der Weltwetterorganisation schon fast erreicht. Was uns blüht, wenn wir auf die drei Grad zurasen, haben die Forscher hinreichend beschrieben.

So kann es keine Überraschung sein, dass in der Taiga und in Kanada riesige Waldflächen brennen, Tornados in den USA ganze Kleinstädte zerschmettern, wochenlange Hitzewellen mit Temperaturen jenseits der 50 Grad Celsius in Südostasien, Pakistan und Indien Menschen töten und jegliches Leben weitgehend lahm legen.

Folgt den Katastrophen nun das große Umdenken?

Klimaschäden klettern auf Rekordwert

Was etwa die Ministerpräsidenten bisher als dringlichste Maßnahme vorschlagen, hat eher den Charakter von weißer Salbe. Sie wollen die Versicherung von Elementarschäden für Verbraucher verpflichtend machen. Sturm, Hagel und Extremregen trieben die Kosten für die Versicherer vergangenes Jahr auf einen Rekordbetrag von 5,7 Milliarden Euro. Käme die Pflicht, würden sich die Prämien für die Wohngebäudeversicherung in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, orakelt der Verband der Versicherer.

Wenn es nur das wäre. “An drei Grad Erhitzung werden wir uns kaum anpassen können”, warnt der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vor der Illusion, die häufigeren Extremlagen beispielsweise durch den Bau höherer Dämme oder von Schwammstädten entschärfen zu können.

“Die Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, darf nicht vernachlässigt werden”

Kanzler Olaf Scholz

Man muss schon an die Ursachen heran, sprich endlich merklich den Ausstoß der Klimagase senken. Und es soll kein Zynismus sein. Aber jeder, der sich über vermeintlich teure saubere Heizungssysteme wie die Wärmepumpe aufregt, sollte mal überschlagen, ob die Sanierung eines durchnässten Hauses und der Ersatz zerstörten Mobilars am Ende nicht ein Vielfaches kostet.

Expertenrat: Ampel verfehlt Klimaziele

Kanzler Scholz bewertet seinen jüngsten Gummistiefel-Einsatz in seiner verschwurbelten Art zu reden zumindest als “einen Hinweis darauf, dass was los ist”. Die Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, mahnt der Regierungschef, dürfe “nicht vernachlässigt weden”.

Da darf sich die Ampelkoalition zuallererst an die eigene Nase fassen. Das meint zumindest der sie beratende Expertenrat für Klimafragen in einer aktuellen Stellungnahme. Er widerspricht der Einschätzung des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck, Deutschland sei beim Klimaschutz auf Kurs. Das Gegenteil sei der Fall, urteilt der Rat: Steuere die Regierung nicht endlich vor allem in den Sektoren Gebäude und Verkehr entschieden gegen, würden die Klimaziele verfehlt.

Mehr: tagesschau cnn bbc n-tv spiegel

Dieter Dürand

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