Elektroautos: Ford verstolpert den Start

Nach langem Zögern setzt Ford alles auf Elektroautos. Das Marktumfeld könnte kaum schlechter sein – nun geht auch noch der Deutschland-Chef.

Produktionsstraße des Ford-Explorers im Werk Köln: Ford setzt ganz auf Elektroautos
Karosserie-Produktion des Explorers in Köln Gewagtes Spiel: All in mit Elektroautos Bild: Ford

Hat Ford Deutschland im Vertrauen auf Beschlüsse der EU-Kommission aufs falsche Pferd gesetzt? Die hat verkündet, dass die Autohersteller auf dem alten Kontinent von 2035 an keine neuen Verbrenner-Modelle mehr verkaufen dürfen. Im Vorgriff stellten die Kölner daraufhin in ihrem Stammwerk am Rhein die Produktion des Kleinwagens Fiesta und in Saarlouis die des Focus’ ein. “Alles auf Elektroautos!”, galt als neue Parole.

ANZEIGE

Mit neunmonatiger Verspätung liefen nun in der Domstadt die Bänder für das erste vollelektrische Fahrzeug an: einen mittelgroßen SUV namens Explorer. Doch das Management hätte sich für den Startschuss kaum einen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können.

Elektroautos mit hohem Risikopotenzial für Ford

Denn der E-Auto-Markt schwächelt. Ob es nach der Europawahl beim Verbrenner-Aus bleibt, ist fraglich. Und in dieser schwierigen Situation verlässt nun auch noch der bisherige Deutschland-Chef Martin Sander holterdiepolter das Unternehmen. Dem Vernehmen wechselt er zurück in den VW-Konzern, der den Kölnern für den Explorer die Antriebs- und Batterietechnik sowie die Karosserie-Plattform liefert.

Alles herbe Dämpfer für Fords Totalwechsel ins Elektrozeitalter. Für 250 000 Explorer jährlich ist die Fabrikkapazität ausgelegt. Rund zwei Milliarden Euro hat der US-Konzern in den Komplettumbau des Werks investiert. Doch selbst im kommenden Jahr wird es nicht wirklich ausgelastet sein, räumt Vetriebschef Christian Weingärtner ein.

Sinkende Nachfrage – wachsende Halden

Um die Belegschaft zu beruhigen, beteuert er zugleich. “Der Markt wächst und ist groß genug, dass wir eine Fabrik vernünftig laufenlassen können.” Doch aktuelle Zahlen der Kraftfahrtbundesamts zu den Neuzulassungen widersprechen dieser Einschätzung.

Wie schon im April kamen im Mai knapp 30 000 reine Stromer auf die Straßen – ein Minus von 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Keine gute Entwicklung kommentieren Experten der Beratung EY nüchtern: “Die Nachfrage nach Elektroautos bleibt mau – trotz Preissenkungen auf breiter Front und neuer Modelle.” Vor allem der Wegfall der üppigen staatlichen Förderung für die Stecker-Fahrzeuge wirkt da wohl nach. Zudem halten sich die Käufer derzeit nach wie vor ganz generell mit der Anschaffung eines Pkw zurück (siehe Grafik unten).

Die Grafik zeigt die Entwicklung der Neuzulassungen von Pkw von 2022 bis heute
Neuwagenverkäufe stagnieren Quelle/Grafik: KBA

Als Folge der mauen Kauflust werden inzwischen Zehntausende Fahrzeuge auf Werksgeländen, in Häfen und bei den Händler zwischengeparkt. Der Chemnitzer Automobilforscher Werner Olle schätzt den Überhang auf rund 100 000.

“Die neuerliche Diskussion über das Verbrenner-Aus vertieft die Politikverdrossenheit”

Benjamin Gruschka, Ford-Betriebsratschef

Für Ford kommt die aufgeflammte Diskussion über das Aus vom Aus für Diesel und Benziner zur Unzeit. Sie verunsichert potenzielle Kunden zusätzlich. Schon der Ampel-Partner FDP hatte das Verbot in Gestalt von Verkehrsminister Volker Wissing nur mitgetragen gegen die Zusage, Autos könnten nach 2035 auch klimaneutrale synthetische Kraftstoffe tanken. Sogenannte E-Fuels.

CDU und Wagenknecht schreiten Seit an Seit

Jüngst startete dann auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Kampagne gegen das Verbrenner-Aus. Unter der Flagge der “Technologieoffenheit” fordert sie wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Rücknahme des Beschlusses. Ohne allerdings die Frage zu beantworten, wie Europa unter diesen Umständen seine Klimaziele erreichen kann. Und EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen scheint gewillt zu sein, mitzuspielen. Sie hofft, sich mit ihrem Entgegenkommen die Stimmen rechter Europaabgeordneter für ihre Wiederwahl sichern zu können.

Ford-Betriebsratschef Benjamin Gruschka kritisiert das parteitaktische Geschacher hart. “Die ohne Not von der CDU angestoßene neuerliche Diskussion ist für die Beschäftigten verstörend und vertieft die Politikverdrossenheit.”

Mehr: electrive golem ksta auto-motor-und-sport

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*