Deutsche kaufen statt E-Autos lieber Benziner und Diesel

Die Zurückhaltung bei E-Autos wirbelt die Branche durcheinander. Etablierte Anbieter drosseln die Produktion, Newcomer gehen Pleite, nur China jubelt.

Vollelektrischer Ford Explorer mit Zwischenstopp auf Welttour in Australien: Zum Verkaufsstart des Modells in Deutschland sind E-Autos wenig gefragt
Elektrischer Ford Explorer auf Weltumrundung in Australien E-Autos derzeit eher Ladenhüter als Verkaufsschlager
Bild: Ford Europe

E-Autos sollten zum Symbol einer ernsthaften Wende hin zu Klimaschonung auch im Verkehr werden. 15 Millionen Fahrzeuge auf deutschen Straßen bis 2030 – dieses Ziel hat sich die rot-grün-gelbe Berliner Ampelregierung in den Koalitionsvertrag geschrieben. Doch ganz offenbar spielen die Bürger nicht mit. Im Gegenteil: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für die Targobank würden sich 44 Prozent lieber einen Benziner oder Diesel als einen Stromer zulegen. Den präferieren lediglich 17 Prozent. Die jüngsten Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamts bestätigen den Trend (siehe auch Grafiken weiter unten).

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E-Autos werden zum Ladenhüter

Was aber hat die zwischenzeitliche Euphorie so brutal ausgebremst?

Einen Gutteil der Schuld trägt die Bundesregierung mit dem abrupten Ende der E-Auto-Förderung selbst. So sieht es jedenfalls Reinhard Zirpel, Präsident des Verbands der Importmarken VDIK. „Leider ist das Vertrauen der Kunden in den Markt der Elektroautos dadurch mehr als beeinträchtigt“, wettert er. Doch die Autobauer müssen sich auch an die eigene Nase packen. Mit Ausnahme einiger chinesischer Anbieter wie dem Marktführer BYD haben sie es bis heute nicht geschafft, für Normalverdiener bezahlbare Modelle in die Autohäuser zu bringen.

Schnellladestationen gibt es nur in zwei von zehn Kommunen

Dass es Verkehrsminister Volker Wissing nicht gelingt, den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu forcieren, ist ein zusätzlicher Hemmschuh. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) mahnt endlich Tempo an. Jede zweite Gemeinde hier zu Lande habe bisher keine öffentliche Ladesäule installiert. Schnelllade-Stationen fänden sich gerade einmal in zwei von zehn Kommunen, schimpft sie.

Die Grafik zeigt, für welche Antriebsart sich Autokäufer beim Neukauf entscheiden wollen
Nicht mal ein Drittel der Autofahrer will vom Verbrenner auf Strom umsteigen Quelle: Forsa/Targobank

Im Ergebnis bringen all diese Faktoren akut die gesamte Branche jenseits von China in die Bredouille. Zumal der Absatz von Steckerfahrzeugen einschließlich Plug-in-Hybriden auch global eingebrochen ist – um 24 Punkte von 54 (2023) auf aktuell 30 Prozent. Als Reaktion drosseln Konzerne wie VW, GM, Daimler und BMW ihre Pläne fürs Hochfahren der Produktion von E-Autos. Dem Verkehrsexperten Constantin Gall von der Unternehmensberatung EY zufolge denken die Hersteller sogar darüber nach, Investitionen umzuleiten. Von der Elektromobilität Richtung Verbrennertechnologie.

Ford auf dem falschen Fuß erwischt

Für Ford Europa ist das allerdings keine Option mehr. Die Kölner stellen ihre Fabriken seit längerem komplett auf E-Autos um. Das Umfeld für den Verkaufsstart des rein Batterie getriebenen Ford Explorer in Deutschland (Einstiegspreis 42 500 Euro) könnte indes kaum mieser sein. Um seine Alltagstauglichkeit zu unterstreichen, hatte das Management den SUV auf eine 30 000-Kilometer-Werbetour durch 27 Länder und sechs Kontinente geschickt. Jetzt heißt es Hoffen und Bangen.

Besonders arg beutelt die E-Auto-Krise gerade die Marktneulinge. Beim Münchner Start-up Sono folgte auf den Gang an die New Yorker Börse die Insolvenz. Nicht besser erging es dem Aachener Neu-E-Autobauer eGo, der auf günstige Klein-Stromer setzte. Kaum an der New Yorker Nasdaq gelistet, folgte die Pleite.

Die Grafik zeigt die Entwicklung der monatlichen Neuzulassungen von Pkw insgesamt und von E-Autos in Deutschland
Ernüchterung nach dem E-Hype Einbruch bei der Neuzulassung von E-Autos Quelle: KBA

Kaum trösten wird es die hiesigen Elektro-Pioniere, dass ihre US-Pendants fast noch krasser abstürzen. Der Hoffungsträger Lordstown, das Batterie-Pick-ups für den Massenmarkt fertigen wollte, ist inzwischen ebenso insolvent wie Proterra, das mit Elektrobussen den Erfolg suchte, oder der Lkw-Hersteller Volta Trucks. Fisker steht am Abgrund. Ex-Tesla Mann Peter Rawlinson sucht nach Geldgebern für die Produktion seines Start-ups Lucid. Das einst an der Börse gehypte Rivian fährt mit seinen Pick-up-Trucks, E-Lieferwagen und SUV nur Verluste ein. Zum Börsenstart war die Gründung wertvoller als VW.

Selbst E-Autos-Pionier Tesla schwächelt

Selbst Tesla, Schreck aller etablierten Marken, leidet unter Nachfrageschwäche und einer selbst angefachten Rabattschlacht. Anscheinend so sehr, dass Tesla-Mastermind Elon Musk Pläne für ein kostengünstiges Familienauto laut der Nachrichtenagentur Reuters erst einmal auf Eis gelegt hat.

Einzig Chinas Elektroboomer setzen unverdrossen auf Wachstum. Wobei sie davon profitieren, dass E-Autos auf ihrem Heimatmarkt mit seinen vielen Millionen Käufern inzwischen zum Standard geworden sind. Vor allem dank attraktiver Preise und bester IT-Ausstattung. Das kommt vor allem bei jungen Kunden an. BYD ist zum globalen Marktführer aufgestiegen. Zwar schwächelten auch bei dem Konzern zuletzt die Gewinne. Die Expansionsgelüste der Anbieter aus dem Roten Reich bremst das indes nicht.

Handyhersteller aus China steigt ein

Mit großen Versprechen wagen sich sogar Branchenfremde ins Geschäft. Zuletzt der Handyhersteller Xiaomi. Vorstandschef Lei Jun kündigte “das schönste, am besten zu fahrende und smarteste” E-Auto an. Je nach Ausstattung soll es umgerechnet zwischen 27 700 und 39 000 Euro kosten. Ob und wann der Stromer nach Deutschland kommt, dazu gab es erst einmal keine Auskunft.

Mehr: faz adac spiegel

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