Weltklimagipfel: Öl- und Gasindustrie muss sich entscheiden – Erde retten oder ruinieren

Am Donnerstag beginnt der Weltklimagipfel. Für die Öl- und Gasindustrie schlägt die Stunde der Wahrheit: Will sie Klimaretter oder -killer sein.

Beleuchtete Öl-Raffinerie bei Nacht: Die Internationale Energieagentur verschickt zum Weltklimagipfel einen blauen Brief an die Öl- und Gasindustrie
Öl-Raffinerie bei Nacht Abmahnung für die Öl- und Gasindustrie zum Weltklimagipfel Bild: Pixabay

Es sind keine Klimaaktivisten, sondern die Experten der in Paris ansässigen Internationalen Energieagentur (IEA), die die globale Öl- und Gasindustrie zum Weltklimagipfel in Dubai mit harten Anwürfen konfrontieren: Die Branche investiere viel zu wenig in Erneuerbare, wecke falsche Technologiehoffnungen und sei daher, anders als in ihrer Eigendarstellung, alles andere als grün. So steht es in einem jetzt veröffentlichten Spezialbericht der Agentur.

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Weltklimagipfel ein Moment der Wahrheit

“Es ist ein Moment der Wahrheit für die Öl- und Gasindustrie”, betont IEA-Direktor Fatih Birol. Sie müsse sich jetzt entscheiden, ob sie die Klimakrise weiter kräftig vertiefen oder Teil der Lösung werden wolle, fordert Birol. Als entscheidenden Treiber nennt er ein weit größeres Engagement für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Das bisherige, so die IEA, sei vernachlässigbar. Heißt in nackten Zahlen: Vergangenes Jahr investierten die fossilen Konzerne 20 Milliarden US-Dollar in Windkraft, Fotovoltaik und sauberen Wasserstoff. Gerade einmal 2,5 Prozent der gesamten Ausgaben. Um die Erderwärmung auf die für soeben noch für beherrschbar gehaltenen 1,5-Grad-Celsius zu begrenzen, müsse der Investitions-Anteil der Erneuerbaren bis 2030 aber auf wenigsten 50 Prozent hoch schießen.

Dekarbonisierung dringend erforderlich

Zum zweiten stehe die Branche in der Plicht, ihre Prozesse massiv zu dekarbonisieren. Nach Darstellung der IEA verursachen Erkundung, Förderung, Verarbeitung und Verkauf 15 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Sie ließen sich bis 2030 problemlos um 60 Prozent reduzieren, sagt Birol. “Einfach, schnell und zumeist kosteneffizient”, fügt er hinzu.

Schließlich sollten die Öl- und Gasmultis nicht länger den Eindruck erwecken, ihre Investitionen in Technologien, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen und speichern, könnten den Planeten retten, stellt der IEA-Chef klar. “Zu behaupten, mit ihrer Hilfe sei es möglich, wie bisher weiter zu machen und zugleich die Emissionen zu senken, ist pure Fantasie.”

Riskante Ausbaupläne für Flüssiggas

Wunschdenken sieht der Report auch an anderer Stelle am Werk. Staaten sollten sich dreimal überlegen, ob sie für viele Milliarden neue Gasprojekte anschieben, warnen die IEA-Analysten. Das geht auch an die Adresse der Berliner Ampel-Regierung und ihre umstrittenen Pläne zum Aufbau einer üppigen Flüssiggas-Infrastruktur – zum Beispiel vor Rügen. “Alle die riskieren, ihr Geld zum Fenster raus zu werfen”, warnt Birol.

Das Risiko bestehe auch für die Öl- und Gasindustrie selbst, mahnt die IEA. Zumindest wenn die Klimaziele ernst genommen würden. Sollen die Treibhausgas-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts wie angestrebt auf Null fallen, ergibt sich folgendes Szenario: Die Investitionen in fossile Brennstoffe halbieren sich schon bis 2030 auf 500 Milliarden US-Dollar. Stattdessen fließen dann gut vier Billiarden US-Dollar in Wind, Sonne und andere regenerative Energien – weit mehr als doppelt so viel wie heute (siehe Grafik unten).

In einem Null-Emissions-Szenario (NZE) hängen Investitionen in erneuerbare Energien die Fossilen ab Quelle: IEA

Womöglich vertrauen die Öl- und Gaskonzerne aber weiterhin auf eine bisherige Erfahrung: Die Staatengemeinschaft beschließt nach einigem Gezerre zwar hehre Ziele auf dem Weltklimagipfel. Doch verzichtet auf jede Verbindlichkeit. Mit dem Effekt, dass wenig bis nichts passiert und sich die Erderhitzung stetig beschleunigt.

Beschließt Weltklimagipfel einen Monitoring-Mechanismus?

Das Trauerspiel dürfe sich in Dubai auf keinen Fall wiederholen, findet Wolfgang Obergassel, Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. “Die Festlegung von Zielen allein führt nicht zu einer Verringerung der Emissionen.” Obergassel fordert stattdessen, dass jedes Land dieses Mal konkrete und nachprüfbare Maßnahmen für dieses “kritische Jahrzehnt” angeben müsse.

Zudem plädiert Obergassel für die Etablierung eines Monitoring-Mechanismus’, “um die Fortschritte auf dem Weg zu den globalen Zielen genau zu überwachen.” Es wäre allerdings eine faustdicke Überraschung, würden bisherige Bremser in ausreichender Zahl dieser fast revolutionären Neuerung zustimmen.

Mehr: IEA CNN Wuppertal-Institut

Dieter Dürand

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