Werbeverbot für Süßigkeiten – Özdemir macht ernst

Kinder leiden immer häufiger unter Übergewicht und Diabetes. Ernährungsminister Cem Özdemir will mit einem Werbeverbot für Süßigkeiten gegensteuern. Auch eine Zuckersteuer ist im Gespräch.

Verführerische Vielfalt an Süßigkeiten - Regierung plant ein Werbeverbot für Kindersnacks
Verführerisches Angebot an Süßigkeiten Ernährungsminister plant Werbeverbot für Kindersnacks Bild: Pixabay

Kinderärzte schlagen Alarm: Schon 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen schleppen viel zu viele Pfunde mit sich herum. Das Übergewicht strapaziert die Gelenke, kann Bluthochdruck auslösen und Herz und Kreislauf schaden. Um dem unheilvollen Trend entgegen zu wirken, richteten die Mediziner vergangenen November mit Ernährungsexperten, Kinderschutzorganisationen und Krankenkassen einen dringenden Appell an die Politik. Das Bündnis fordert ein Werbeverbot für Snacks, Fast Food und Süßigkeiten in TV, Radio und sozialen Medien zwischen sechs und 23 Uhr.

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Kinderärzte fordern Werbeverbot für Süßigkeiten

Jetzt hat Bundesernährungsminister Cem Özdemir die flehende Bitte erhört. Der Grüne legte einen Gesetzesentwurf vor, wonach eine an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Salz oder Fett zu diesen Zeiten verboten werden soll. “Kinder sind das Wertvollste, was wir haben, und der Staat muss sie schützen”, begründet Özdemir seinen Vorstoß. Und weiter: “Neben ausreichend Bewegung und entsprechenden Angeboten braucht es eine möglichst gesunde Ernährungsumgebung. Dafür sind klare Regeln unumgänglich.”

Bundesernährungsminister Cem Özdemir begründet das geplante Werbeverbot für Süßigkeiten mit der Pflicht des Staates, die Gesundheit der Kinder zu schützen
Ernährungsminister Özdemir “Der Staat muss die Kinder schützen” Bild: BMEL

FDP kündigt Widerstand gegen Werbeverbot an

Klingt einleuchtend und entspricht gesichertem Kenntnisstand. Dennoch schlüpfte die FDP umgehend erneut in ihre inzwischen reichlich strapazierte Rolle als Inner-Regierungsopposition und kündigte Widerstand gegen das im Koalitionsvertrag der Ampel festgezurrte Ziel an. “Für eine solche Politik gibt es keine Mehrheit”, poltert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Carina Konrad. Die Liberale setzt auf Aufklärung und Selbstverpflichtung von Handel und Industrie. Özdemir zeigt sich unbeeindruckt: “Das halte ich aus.”

Gift für Leber und Stoffwechsel

Welch stumpfes Schwert Selbstverpflichtungen sind, zeigt das Beispiel Softdrinks – ein süßes Gift für Leber und Stoffwechsel. Im Jahr 2018 gelobte die Getränkeindustrie, den Zuckergehalt bis 2025 um durchschnittlich 15 Prozent zu senken. Versprochen – gebrochen. Erreicht wurden bisher erst magere zwei Prozent, belegt ein wissenschaftliche Studie aus München.

Extrem ernüchternd, findet Oliver Huizinga das Ergebnis, Co-Autor der Studie und politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). “Die freiwillige Zuckerreduktion kommt nicht voran”, konstatiert der Experte. “Wenn der Trend sich in diesem Tempo fortsetzt, werden 15 Prozent erst in Jahrzehnten erreicht.”

Britische Zuckersteuer zeigt Wirkung

Helfen könnte ein Steuer auf Zucker. Das zeigt das Beispiel Großbritannien, wo die konservative Regierung unerschrocken eine solche 2018 eingeführt hat. Dort sank der Zuckergehalt in Softdrinks im gleichen Zeitraum um 30 Prozent (siehe Grafik unten).

Die Grafik zeigt, wie sich der Zuckergehalt in Softdrinks in Deutschland und Großbritannien entwickelt hat. Auf der Insel sank er seit 2015 um 30 - hier zu Lande nur um zwei Prozent
Staatlicher Druck wirkt Nach Ankündigung einer Zuckersteuer reduzierte die britische Getränkeindustrie
den Zuckergehalt in Softdrinks umgehend Quelle: DANK

Die hiesigen Verbraucherzentralen appellieren an die Politik, dem britischen Vorbild nachzueifern und die 1993 gestrichene Zuckersteuer wieder einzuführen. Übrigens gelten auf der Insel vom kommenden Jahr an auch weitreichende Werbeeinschränkungen für Kinder-Kalorienbomben – ob fettig, süß oder salzig.

Tierwohl wichtiger als Klimarettung

Laut einer gerade in “Nature Food” veröffentlichten Studie der Uni Hamburg würden die Bundesbürger eine Steuer auf Zucker wohl eher goutieren als eine Klimaabgabe. Jedenfalls wenn das Ergebnis übertragbar ist. Die Forscher fragten Verbraucher, ob sie eher einen Aufschlag auf Fleisch oder eine Abgabe gegen die Erderhitzung akzeptieren würden. Die Zahlungsbereitschaft fürs Tierwohl fiel bei den Befragten deutlich höher aus.

Mehr: wdr bmel ddg nature

Dieter Dürand

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