Seit Wochen fegt ein Tief ans andere über Deutschland hinweg. Die Böen bescheren Rekordernten beim Windstrom. Diese verursachen Knappheit im Süden. Die Gründe.

Mancher Stromkunde zwischen Mannheim und Freiburg wird gestern verwirrt auf die “StromGedacht”-App des regionalen Stromnetzbetreibers TransnetBW gestarrt haben. Um 17 Uhr sprang die Ampel in der App auf Rot und forderte die Verbraucher zum Stromsparen auf. Drohte etwa ein Blackout, obwohl stürmisches Wetter viel Windstrom versprach? Oder was steckte hinter der Aufforderung?
Windstrom in Rekordmengen produziert
Sie offenbart große Versäumnisse bei der politisch seit Jahren propagierten Umstellung der hiesigen Stromversorgung von fossilen auf erneuerbare Quellen. Reden und Handeln stehen in großem Widerspruch. Die Diskrepanz bringt das Stromnetz immer öfter an die Grenzen seiner Belastbarkeit.
Angetrieben von Tiefs drehen die Windräder seit Wochen fast Tag und Nacht auf Volllast. An Land wie auf See produzieren sie Rekordmengen an Watt und Volt. In diesem Jahr schon rund sieben Milliarden Kilowattstunden (kWh) mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum (siehe Grafik unten). Und das zu Kosten von in der Regel weit unter zehn Eurocent je kWh.

Gas- und Kohlekraftwerke schalten auf halbe Kraft
Was erfreulich klingt, wird jedoch unter den momentanen Begebenheiten zum doppelten Problem am deutschen Energiemarkt. Die Händler decken sich mit dem Billigstrom aus den Rotoren ein. Der bestimmt, trotz stockenden Ausbaus der Windkraft, bei stürmischen Wetterlagen heute schon den Preis an der Strombörse. Dagegen verschmähen die Käufer den teureren Strom aus Gas- und Kohlekraftwerken. Der Effekt: Deren Betreiber drosseln mangels Wirtschaftlichkeit die Leistung der Anlagen.
Verschleppter Windkraft- und Netzausbau führt zu Turbulenzen
Speziell in Bayern und Baden-Württemberg führt das schnell zu Turbulenzen. Weil die Südländer den Ausbau der Windenergie seit Jahren verschleppen, stehen dort kaum Mühlen, die Strom liefern. Zudem verhindern fehlende leistungsstarke Stromtrassen den Transport des überschüssigen Windstroms von Nord nach Süd. Wird dann auch noch der fossile Kraftwerksstrom knapp, entsteht eine Mangellage. Die Netzbetreiber müssen die Lücke mittels importierter Elektrizität aus benachbarten Ländern schließen. Die ist jedoch teuer. Daher rufen sie lieber die Verbraucher zum Sparen auf.
Stromrationierung für Wärmepumpen und Ladestationen
Es ist nicht die einzige Unwucht auf dem deutschen Energiemarkt. Schon zeichnet sich ab, dass der staatlich geförderte Run auf Elektroautos und Wärmepumpen zu weiteren Problemen für die Stabilität der Stromnetze führt. Der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller warnt bereits vor Überlastungen und dem Risiko lokaler Stromausfälle. “Wenn wir nicht handeln.”
Seine Aufsichtsbehörde hat aus diesem Grund ein Eckpunktepapier entwickelt. Es sieht von kommenden Jahr an bei hoher Auslastung der Netze zeitweilige, regional begrenzte Stromrationierungen für Wärmepumpen und Ladestationen vor. Zwangsweise und zentral koordiniert.
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