Richterin fällt wegweisendes Urteil zum Klimaschutz

Im US-Bundesstaat Montana feiern Aktivisten ein Urteil mit Signalwirkung für den Klimaschutz. Zwingen Gerichte die Politiker zum Handeln?

Pferderanch im US-Bundesstaat Montana: Richterin stärkt Recht auf Klimaschutz und gesunde Umwelt
Bedrohte Idylle in Montana Richterin stärkt Recht auf Klimaschutz und gesunde Umwelt
Bild: David Mark auf Pixabay

Ausgelassen jubelten die 16 jungen Kläger im Alter von fünf bis 22 Jahren vor dem Gerichtsgebäude in Helena, nachdem Bezirksrichterin Kathy Seeley ihr Urteil verkündet hatte. Sie erklärte ein Landesgesetz für verfassungswidrig, das es den Behörden in Montana verboten hätte, bei der Genehmigung von Erdöl- und Erdgasprojekten zu prüfen, welche Auswirkungen die frei werdenden Treibhausgase auf den Klimaschutz haben. Die Verfassung des republikanisch regierten US-Bundesstaat garantiert den Bürgern aber „eine saubere und gesunde Umwelt“. Dagegen verstoße das Gesetz, stellte die Richterin klar.

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Landesgesetz verstößt gegen Klimaschutz

Hauptklägerin Rikki Held, deren Familie eine Ranch führt, legte vor Gericht dar, sie sehe durch die Erderwärmung ihre Zukunft gefährdet. Waldbrände, Trockenheit und Hitze raubten ihr die Existenzgrundlage. Doch anstatt Gegenmaßnahmen zu ergreifen, ignoriere die Landesregierung die Auswirkungen. Held ging es ausdrücklich nicht um eine finanzielle Entschädigung.

Profit versus Wohlergehen von Menschen

Die Kommentatoren der britischen Tageszeitung „Guardian“ sehen in dem Urteil einen „Gamechanger“, einen Wendepunkt von globaler Bedeutung. Zugespitzt geht es um die Frage: Was ist wichtiger: Profite oder das Wohlergehen von Menschen?

In Montana ist die Frage beantwortet. Und gerade in den USA bemühen immer mehr Bürger die Gerichte, um die Regierenden und die Behörden zu aktivem Klimaschutz zu zwingen. Insgesamt sind dort fast 8000 Klimaklagen anhängig. Die Kläger erhoffen sich Signalwirkung vom Ausgang in Montana.

20-Millionen-Euro-Strafe für Pariser Regierung

Weltweit verhandeln Gerichte weitere rund 800 Verfahren. Eine gute Basis für ihren erfolgreichen Ausgang hat das 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossene Pariser Klimaschutzabkommen geschaffen. Darin einigten sich die Staaten darauf, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf höchstens 1,5-Grad-Celsius zu begrenzen. So soll das Leben auf dem Planeten erträglich bleiben.

Doch statt den Klimawandel entschieden zu stoppen, lehnten sich die Regierenden anschließend zurück – oder gingen nur halbgar vor. So sahen es zumindest zwei höchste europäische Gerichte. Ende 2021 bescheinigte das höchste französische Gericht, der Conseil d’État, der Regierung unter Staatspräsident Emmanuel Macron, nicht genug für das Erreichen der selbst gesteckten Klimaziele getan zu haben. Als Buße verhängten die Richter eine 20-Millionen-Euro-Geldstrafe.

Auch Ampel reißt die Latte beim Klimaschutz

In Deutschland tadelte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im selben Jahr die unambitionierten Klimapläne der Bundesregierung unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel. Sie riskiere damit in unverantwortlicher Weise „schwerwiegende Freiheitseinbußen“ vor allem für folgende Generationen. Die auf Merkel folgende Ampelregierung schärfte die Ziele und den Zeitplan daraufhin zwar nach. Hat sie in den vergangenen drei Jahren allerdings krachend um insgesamt 40 Prozent verfehlt. Geht es so weiter, droht neuer Ärger mit Karlsruhe.

Inzwischen rollt eine regelrechte Klagewelle durchs Land. Sie richtet sich immer öfter auch gegen Konzerne wie den Autobauer VW und den Energieriesen RWE. Umweltschützer werfen ihnen vor, unbeeindruckt die Gesundheit der Erde und seiner Bewohner zu gefährden, indem sie weiter Verbrennungsmotoren verkaufen oder Kohlekraftwerke betreiben.

Recht auf körperliche Unversehrtheit

Mit Spannung wird in diesem Zusammenhang die Klage einer Gruppe junger Europäer gegen gleich zwölf EU-Staaten, darunter Deutschland, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verfolgt. Die Aktivisten klagen auf ein Recht für besseren Klimaschutz, der ihre Lebensgrundlagen, ihre Gesundheit und ihre körperliche Unversehrheit wahrt. Dabei geht es auch um jährlich Tausende Tote wegen hoher Luftverschmutzung.

Sollten die Straßburger EGMR-Richter den Argumenten der Kläger folgen, könnte das wiederum Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen unter Zugzwang setzen. Eine Gruppe Kölner Anwälte hat Strafanzeige gegen RWE Power wegen des Verdachts der Tötung zigtausender Menschen durch die Verstromung von Braunkohle erstattet. Sei es durch Feinstaub, sei es durch den Ausstoß des klimaschädlichen Gases CO2. Greenspotting berichtete.

Durchbruch oder Pyrrhussieg?

Dass selbst Multis vor der Justiz zittern müsse, zeigt das Urteil einer niederländischen Richterin. Larisa Alwin verdonnerte den niederländisch-britischen Ölkonzern Shell 2021, seine Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 fast zu halbieren. Nur so stehe seine Geschäftspolitik im Einklang mit den Pariser Reduktionszielen, sagte sie zur Begründung.

Vielleicht war es aber auch nur ein Pyrrhussieg für die klagenden Planetenretter. Denn flugs verlagerte Shell seinen Hauptsitz nach London. Ob das Urteil im Brexit-Ausstiegsland Großbritannien vollstreckt werden kann, ist bisher unklar.

Mehr: Guardian taz

Dieter Dürand

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