Warum der KI-Boom den Kohleausstieg gefährdet

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein nimmersatter Energiefresser. Daher stellt sich die Frage: Woher soll der ganze grüne Strom für den KI-Boom kommen?

Kanzler Scholz kündigt mit Microsoft den Bau riesiger Rechenzentren in Deutschland an - der KI-Boom bedroht die Energiewende
Kanzler Scholz bei der Ankündigung von Milliarden-Investitionen in Rechenzentren KI-Boom schlecht fürs Klima
Bild: Bundesregierung/Kugler

Da strahlt der Kanzler. Gerade hat Microsoft-Präsident Brad Smith an seiner Seite hochtrabende Pläne vorgestellt. Um am KI-Boom mitzuverdienen und das Geschäft mit dem Mieten von Computerressourcen via Internet (Cloud-Computing) in neue Höhen zu schrauben, investiert der US-Hard- und Softwaregigant in zwei Jahren 3,2 Milliarden Euro in riesige Rechenzentren. Am bestehenden Standort im Rhein-Main-Gebiet sowie erstmals im Rheinischen Braunkohlerevier. Und das Beste aus Sicht von Olaf Scholz. Der Konzern tut dies, ohne dass der Steuerzahler einen einzigen Euro zuschießen muss.

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KI-Boom wird zum Problem fürs Klima

Der Kanzler kriegt sich denn auch kaum mehr ein. „Solche Projekte zeigen, wie attraktiv der Standort und das Vertrauen von Investoren in Deutschland ist“, lobt Scholz überschwänglich, selbstredend auch ein wenig sich selbst. Im aktuellen Wirtschaftsgrau endlich mal eine gute Nachricht.

Allerdings weniger für das Klima und die Energiewende hier zu Lande. Denn beide könnten wegen des kolossalen Stromhungers der KI- und Cloudanwendungen unter die Räder geraten. Sogar der frühzeitige Ausstieg aus der Braunkohle im rheinischen Revier bis 2030 gerät deshalb in Gefahr.

Chat-GPT verbraucht das 30-fache einer Google-Anfrage

Schon seit Jahren klettert der Stromverbrauch hiesiger Rechenzentren unaufhörlich. Von gut zehn Milliarden Kilowattstunden (kWh) 2010 auf geschätzte 18 Milliarden kWh 2025 (siehe Grafik unten). Das ist ungefähr der doppelte Strombedarf Hamburgs im Jahr.

Die Grafik zeigt den voraussichtlichen Strombedarf von deutschen Rechenzentren bis 2025
Stromfresser Rechenzentren Mit KI vervielfacht sich der Bedarf
Quelle: Borderstep Institut/Wissenschaftlicher Dienst Deutscher Bundestag

Doch folgt man den Experten, war der Anstieg erst ein laues Lüftchen. Im Gefolge sogenannter generativer KI-Anwendungen, die auf einfache Befehle oder Sprachanfragen Texte, Bilder und sogar ganze Filme erstellen, droht ein regelrechter Tsunami.

Verdopplung der Zahl der Rechenzentren weltweit

Der Chef des gerade an der Börse abgefeierten US-Chipherstellers Nvidia, Jensen Huang, erwartet, dass sich die Zahl der Rechenzentren auf der Welt in den nächsten fünf Jahren verdoppeln wird. Trifft es zu, dass jede Chat-GPT-Anfrage, eines der bekanntesten KI-Programme, 30 Mal so viel Strom konsumiert wie die Nutzung einer herkömmlichen Suchmaschine, lässt sich der zusätzliche Energiehunger leicht hoch rechnen. Eine Studie kommt für Deutschland bis 2030 auf einen Zuwachs um bis zu 57 Prozent auf dann 35 Millionen kWh.

“Wenn wir auch in fünf Jahren noch kein Energieproblem haben wollen, müssen wir das KI-Thema jetzt angehen”

Ralf Hebrich, Hasso-Plattner-Institut

Dabei gehen heute schon Schätzungen zufolge global bis zu vier Prozent der Treibhausgas-Emissionen auf das Konto der Informations- und Kommunikationstechnik. Das ist ähnlich viel wie der Flugverkehr verursacht. Wirklich gründlich erforscht ist der Energiehunger der KI allerdings noch nicht. Ralf Herbrich, KI-Experte am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam, fordert daher: “Es ist höchste Zeit, sich intensiv mit den Energiekosten von KI zu beschäftigen.” Und sagt weiter: “Wenn wir auch in fünf Jahren noch kein Energieproblem haben wollen, müssen wir das jetzt angehen.”

Auch E-Autos und Wärmepumpen gieren nach Strom

Das gilt ganz besonders für Deutschland, das rasch aussteigen will aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Schon 2030 sollen erneuerbare Quellen wie Wind- und Solarkraftwerke den Ampel-Plänen zufolge 80 Prozent des Stroms produzieren. Doch könnte eine Mangellage drohen, wenn zugleich viel mehr elektrische Leistung für E-Mobile und Wärmepumpen benötigt wird. Ganz besonders zu Zeiten, an denen weder die Sonne scheint, noch der Wind weht.

Der Bau von Gaskraftwerken, die eines Tages auch sauberen Wasserstoff verbrennen können, soll die Gefahr von Stromabschaltungen bannen. Ursprünglich wollte Wirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) rund 50 Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von 25 Gigawatt (GW) dafür ausschreiben. Die dafür kalkulierten 40 Milliarden, größtenteils finanziert über staatliche Förderungen, waren Habecks FDP-Kabinettskollegen Christian Lindner (FDP) jedoch zu teuer.

KI-Boom gespeist aus dreckiger Braunkohle

Der jetzt erreichte Kompromiss sieht noch zehn GW vor. Viel zu wenig, kritisiert Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Das Zurückstutzen der Gaskapazitäten stelle sogar den vorgezogenen Ausstieg seines Landes 2030 statt 2038 aus der Braunkohle in Frage, warnt er.

Es wäre allerdings tatsächlich bizarr, müssten am Ende im rheinischen Revier dreckige Braunkohle-Meiler länger am Netz bleiben, unter anderem um Microsofts Rechenzentren zu beliefern.

Mehr: welt nzz wdr tagesspiegel

Dieter Dürand

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